Vom Leid des Erwachsenwerdens
Datum: 02.08.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: bySashinka
... heute.
Ich hatte gerade fertiggedacht, als sie schon wieder auftauchte.
"Jetz' ruf isch deine Mutta ann unn sag' ihr, daß Brüllo noh da iss unn op duh heut' nacht nochh hierbleiben kanns!"
"Das war's dann! Gute Nacht!" dachte ich und ließ es geschehen.
"Karola!" rief sie sich selbst zu Räson. "Karola, konzentrier' dich!" Sie atmete mehrmals tief ein und testete sich selbst, wie es aussah, ihre Augen himmelwärts. Der Test schien noch nicht positiv und sie fing nochmals an tief einzuatmen. Augen an die Decke! Fragendes Gesicht! Nein! Das war's auch noch nicht. Alles noch mal von vorn. So ging das zirka fünf Minuten, bis sie plötzlich inne hielt und mit angehaltener Luft und vollen Lungen zum Hörer griff und unsere Nummer drehte. Sie wurde langsam schon rot um die Wangen, als ich die Stimme meiner Mutter vernahm: "Hallo?"
"Josephine, hier ist Karola. Du, der Brillo läßt fragen, ob Alexander diese Nacht nochmals bleiben darf?" sprach sie deutlich und akzentuiert. Ein Wunder war geschehen! Ich sah, daß sie den Atem sofort wieder anhielt, nachdem sie den Satz gesprochen hatte. "Das ist, glaub' ich, kein Problem, das heißt, wenn Alexander für dich kein Problem ist. Sollte er sich daneben benehmen, oder er mit Brillo Streit bekommen, so wirf ihn in ein Taxi. Geld hat er genug bei sich."
"Ausgezeichnet! Mach dir keine Sorgen! Ich ruf' dich dann Morgen wieder an. Auf Wiederhören, Josephine."
"Auf Wiederhören, bis Morgen dann, Karola." Sie legten auf und starrte ...
... auf das Telefon. Dann ließ den Reserveatem entweichen und ihre Augen, die einen Moment vorher noch klar waren, wurden wieder glasig.
"Das wer' geschaut! Na? Gink dooch glasse, ohda?"
Ich war verblüfft. Eine zweifache Metamorphose in weniger als fünf Minuten! In kürzester Zeit von Besoffen auf Stocknüchtern und wieder zurück. Ich muß mit offenem Mund dagestanden haben, denn sie sagte: "Machn Monnd zoh!" und lachte, als sie zur Terrasse schwankte.
Bei allen zukünftigen Dialogen, werde ich es lassen, die Aussprache angetrunkener Frauen zu imitieren, denn sie waren de facto nur beschwipst. Ist mir aber doch einfach zu stressig. Also, Schädel, benutze deine Phantasie und stell's dir einfach vor. Ich sag's schon, wann sie wieder komplett nüchtern wurden!
Ich sag's dir am besten jetzt, sonst vergißt du es wieder!
AM NÄCHSTEN MORGEN! Was hattest du denn gedacht? Siehste? Bist doch 'n Schädel, Schädel!
Jetzt war 'Polen offen' für mich! "Super! Freiheit! Frauen!" waren die ersten Worte, die mir in den Kopf kamen und ich schlenderte in Richtung Terrasse, glücklich wie ein Schwein in Scheiße.
Da saßen sie nun, meine Wunder auf Beinen. Und was für Beine! Karola saß auf einem hochgeklappten Liegestuhl und Vera und Hélène auf der Hollywood-Schaukel, sich langsam wiegend. Sie lachten und waren allerbester Stimmung, als sie mich sahen.
"Komm' Alexander, setz' dich doch ein wenig zu uns alten Frauen und bring' ein wenig Licht in unseren düsteren Alltag!" lächelte Hélène ...