1. Der Pastor und das Mädchen


    Datum: 13.09.2020, Kategorien: Sonstige, Autor: Hassels

    ... Scham. Die Brust war je zur Hälfte sichtbar. Jetzt merkte er auch dass er vergessen hatte, ihr die Kleidung anzureichen. Er ging auf Annika zu, schloss den Bademantel und schob ihre Hand an ihren Bauch. So blieb der Bademantel geschlossen obwohl der Gürtel fehlte. Er gab ihr die Sachen auf den anderen Arm und schob sie wieder ins Bad. Dann schloss er erneut die Tür und wartete am Küchentisch.
    
    'Oh Herr prüfe nicht meine Keuschheit. Führe mich nicht in Versuchung.' Er betete zu allen Heiligen um mit sich ins Reine zu kommen. Das was er gesehen hatte, hatte ihm durchaus gefallen, es durfte ihm aber nicht gefallen. Kurz darauf kam Annika aus dem Bad, jetzt ganz normal gekleidet und die Haare getrocknet.
    
    "Entschuldigung Pastor Müller, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Es war mir nicht aufgefallen." Er nickte und bat sie an den Küchentisch. "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Annika. Da bist Du ja ab heute erwachsen."
    
    Er konnte nur ungläubig zusehen wie bei dem Mädchen die Gesichtszüge entgleisten. Sie schluchzte und innerhalb weniger Sekunden brachen alle Dämme. Sie heulte hemmungslos, die Tränen liefen in Sturzbächen. Der Pastor war schnell aufgesprungen und nahm sie tröstend in den Arm. Erst als sie sich einiger Maßen beruhigt hatte, fragte er nach dem Warum.
    
    "Heute ist praktisch alles schiefgelaufen. Dann sind sie auch noch der einzige, der an meinen Geburtstag denkt. Es ging soweit, das ich meine Sachen genommen habe, und gegangen bin."
    
    Er ...
    ... ließ sie Luft holen, zog ihre Teetasse herüber, das sie erst mal etwas trinken konnte. Sie saß bei ihm auf dem Schoss, so wie man es von einem Kleinkind erwarten könnte. Sie kuschelte sich an ihren Pastor, so wie sie es vor rund neun Jahren vor der Kommunion getan hatte. Damals hatte der Pastor sie überredet, trotz aller Widrigkeiten, an der Kommunion, teil zu nehmen. Schon damals stand ihre kleinere Schwester im Mittelpunkt. Das war bei jedem Ereignis so. Ihre Eltern erlaubten Katja von jeher alles und ihr nichts. Damals durfte Katja mit zur Kommunion gehen, obwohl sie ein Jahr jünger als alle anderen war. Egal welcher Anlass, Katja wurde zum Mittelpunkt gemacht.
    
    Dann hatte die liebe Katja vor drei Monaten den selbstverschuldeten Unfall, als sie volltrunken in ein Auto lief. Der Fahrer hatte keine Chance den Unfall zu vermeiden. Seit dem musste sie jeden Sonn - und Feiertag mit ins Krankenhaus, wo Katja im Koma lag. Es hatte sich seit dem Unfall nichts verändert, aber sie musste mit. Selbst heute auf ihrem Geburtstag. Zur Krönung hatte ihr bis zur Heimkehr am Abend, niemand gratuliert. Sie wurde von ihren eigenen Eltern einfach vergessen.
    
    Das hatte sie nicht mehr ausgehalten und war mit Reisetasche und Koffer gegangen. Das Gepäck hatte sie im Beichtstuhl versteckt. Dann war sie durch die Straßen geirrt und schließlich, weil die Kirche nun abgeschlossen war, bei ihm, dem Pastor gelandet. Immer wieder stockte sie in ihrer Erzählung.
    
    Er wusste genau, was dieses Mädchen ...
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