Der Pastor und das Mädchen
Datum: 13.09.2020,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Hassels
... auch ganz hoch angerechnet. Ich bin aber davon überzeugt, das sie keine Selbstmörderin beerdigt haben. Auch wenn die Polizei die Akte damals schnell geschlossen hatte."
Müller sah erst Herrn Schwarze, dann seiner Frau tief in die Augen. Tief holte er Luft, dann sagte er Leise aber durchdringend:
"Sie haben recht Herr Schwarze, es war wahrscheinlich Mord."
Seine Aussage löste bei den älteren Leuten, er schätzte sie so auf Mitte sechzig, einen nicht vermuteten Gefühlsausbruch frei. Ungeniert nahmen sich die beiden vor Müller in den Arm und Küssten sich. Ein Wackerstein schien von ihnen abzufallen. Natürlich wollten sie jetzt wissen, wie er nach so langer Zeit darauf kam.
"Die Tochter ihrer Tochter Petra hat bei mir Asyl gesucht. Die Bausteine zusammengefügt, lassen für mich nur diesen Schluss zu. Seit wann haben sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter Petra?" Er fragte knallhart, aber die Schwarzes gaben ihm sofort Auskunft. Es war seit der Tauffeier für Annika, die sie seitdem nicht mehr gesehen hatten. Die müsste jetzt gerade achtzehn geworden sein, rechnete Herr Schwarze dem Pastor vor.
"Wie sieht sie denn aus? Können wir sie sehen? Wie geht es unserer Tochter?"
Müller bemühte sich die Fragen zu beantworten.
"Ihre Tochter Petra habe ich zuletzt bei der Kommunion von Annika und Katja gesehen."
Dann holte er sein Smartphone heraus und zeigte den beiden die Bilder von Annika.
"Die ist ja ein wunderhübsches Mädchen, noch schöner als es ihre Mutter ...
... war. Aber wer ist Katja, von ihr hatten sie nie gehört."
Der Pastor erzählte den Schwarzes vom Kind ihrer toten Tochter, und dem jetzigen Zustand. Ohne das Müller gefragt hätte, vervollständigte Herr Schwarze nun die Geschichte mit dem letzten fehlenden Puzzle. Michaela war damals kurz nach Petras Heirat mit vierzehn abgehauen und erst mit ihrem Tod wieder aufgetaucht. Vom Kind ihrer jüngsten wussten sie nichts. Da Herr Clausing damals eine Resozialisierungsstelle im Innendienst des Jugendamtes hatte, hat er wohl alles passend manipuliert. Mit dieser Beweiskette wollten sie morgen gemeinsam zur Polizei gehen. Der Pastor versprach, Annika mitzubringen, wenn diese es nicht ablehnt. Auch von den Schwarzes machte er mit freudiger Erlaubnis ein Photo für Annika.
Als er um 17:55 die Küche im Pfarrhaus betrat, war alles auf Hochglanz poliert. Kaffee war in der Thermoskanne und ein Teller mit drei Plätzchen auf dem Tisch. Daneben lag ein Zettel: Ich bin drüben. Schnell trank er noch eine Tasse Kaffee und aß ein Plätzchen. Anschließend klopfte er bei Annika an, doch die laute Musik, die er vor ihrer Türe war nahm, ließen sie sein klopfen nicht hören.
Er drückte die Klinke runter und stand in ihrem Musiktanzzimmer. Annika hatte Stühle und Tisch in eine Ecke geschoben, ihr Ghettoblaster war obenauf und verursachte den Ohrenbetäubenden Lärm. Sie sprang völlig nackt durchs Zimmer und kreierte die merkwürdigsten Bewegungen. Ein paar Sekunden, eher eine Minute genoss er den Anblick ...