1. Der Rote Engel


    Datum: 07.06.2018, Kategorien: Erotische Verbindungen, Autor: bysophiedrama

    Als sie mit nichts als einem schwarzen Kimono bekleidet die Außentreppe des Wohnhauses am Calcaterra Circle nach oben stieg, sah sie, dass die Türe des hintersten Apartments einen Spalt weit offen stand und ein schmaler Streifen Licht über die Veranda in die dunkle Nacht ragte.
    
    Val ging am Geländer entlang und konnte das sonore Schwingen der Deckenventilatoren durch die dünnen Wände der Wohneinheiten hören. Obwohl es Mitten in der Nacht war, betrug die Temperatur immer noch über 20 Grad Celsius und die trockene Wüstenluft machte das Atmen schwer. Klimaanlagen suchte man in billigen Wohnhäusern wie diesem vergebens. Der einzige Grund, warum man im nördlichsten Zipfel von Paradise wohnen wollte, war die Nähe zum Strip, weswegen es kaum verwunderte, dass besonders viele Trinker und Spieler in dieser Gegend ihr Quartier bezogen.
    
    Als sie am Ende des Ganges angekommen war, versuchte sie, durch den offen stehenden Türspalt ins Innere des Apartments zu blicken, konnte jedoch nichts erkennen. Also klopfte sie mehrere male gegen den weißen Holzrahmen, der augenscheinlich schon seit Ewigkeiten keinen neuen Anstrich erhalten hatte.
    
    "Hallo? Ist jemand da?", rief sie in die Wohnung hinein, doch niemand antwortete.
    
    Die Gegend um den Calcaterra Circle war nicht gerade ein sicheres Pflaster. Man konnte nie wissen, wen man vor sich hatte oder welche Absichten jemand hegte, doch Val rechnete nicht damit, dass ihr - was auch immer sie in diesem Zimmer erwartete - Gefahr drohte. ...
    ... Trotzdem mahnte sie sich etwas zur Vorsicht, als sie nach dem Knauf griff und die Tür des Apartments langsam aufschob.
    
    Der Raum glich einem Schlachtfeld. Schranktüren standen sperrangelweit offen, Schubladen waren herausgerissen, der abgewetzte Linoleumboden war übersät mit zersprungenen Gläser und zu Scherben zerschlagenem Porzellan. Die beiden Barhocker, die wahrscheinlich zu der Kochinsel auf der linken Seite des Raumes gehörten, lagen umgeworfen in der gegenüberliegenden Zimmerecke, einem der Hocker fehlte ein Bein. Direkt neben der Tür lag ein umgestürztes Holzregal, in dem sich allem Anschein nach Zeitschriften und DVDs befunden hatten, die sich nun über das ganze Zimmer verteilt mit den Scherben mischten. Zweifellos hatte jemand etwas gesucht und dabei keinen Stein auf dem anderen gelassen.
    
    Dann erblickte sie den Körper. Genauer gesagt ein Paar nackte Füße, das zwischen einer terrakottafarbenen Sitzgruppe hervorlugte. Val näherte sich dem Sofa und gab acht, nicht barfuß in die Scherben zu treten. Auf einem zotteligen beigen Teppich zwischen Sofa und Hauswand lag ein junger Latino auf seinem Rücken, der allem Anschein nicht mehr bei Bewusstsein war.
    
    Sie schätzte ihn auf Anfang zwanzig, kaum älter als sie selbst. Er trug einen grauen Jogger, ein geripptes weißes Unterhemd und darüber eine markante Kette mit silbernem Kruzifix. Seine Haare waren kurz rasiert, dafür trug er einen Kinnbart, der in zwei schmalen schwarzen Streifen seine ausgeprägten Kieferknochen ...
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