1. Das Lied ohne Sprache


    Datum: 10.01.2021, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byBleeding_Heart

    ... tun konnte, war nachdenken und stillhalten.
    
    Stillhalten, um den Blutstrom aufzuhalten, der den Boden unter ihm gefärbt hatte.
    
    Nachdenken und die Splitter der Erinnerung in seinem Kopf zusammenkratzen, um den Spiegel wieder aufzubauen, mit dem er reflektieren konnte, was geschehen war.
    
    Selbst im Nachhinein bereute er nicht, den Kampf aufgenommen zu haben. Er war ein Meister seines Handwerks, er verdiente sein Leben damit und er kannte jede Bewegung, zu der sein Körper fähig war. Er wusste also, er hatte in dem Kampf keinen Fehler gemacht. Er war nicht zu stolz, um Fehler einzugestehen, auch wenn man es an diesem Punkt glauben könnte, hatte er den Kampf doch schließlich verloren.
    
    Doch tatsächlich war der einzige Fehler, den er in jenem Kampf begangen hatte, sich überhaupt auf den Kampf einzulassen.
    
    Er hatte geglaubt, die Zauberin würde lügen, als sie gesagt hatte, dass sie ohne Magie gegen ihn antreten würde. Er war darauf gefasst gewesen, dass sie im Angesicht des Todes oder einer Chance einen Spruch über ihre Lippen entkommen lassen würde.
    
    Doch sie hatte nicht gelogen. Sie hatte ihren Stab gegriffen und war in Kampfposition gegangen. Rivaell war ihr ohne Vorbehalte entgegengetreten, er hatte nicht geglaubt, dass es einfach werden würde, er hatte sie ernst genommen.
    
    Hätte er das nicht getan, so wäre es vielleicht schmerzfreier abgelaufen. Hätte er sie ausgelacht, sie belächelt, so hätte sie ihn in kürzester Zeit überwältigt. So aber lieferte er sich mit ...
    ... der kleinen, schwarzhaarigen Hexe einen minutenlangen Kampf, in welchem er schnell erkannte, dass er nicht gewinnen konnte.
    
    Einen Menschen hätte er mit Leichtigkeit besiegt. Seine Mutationen hatten ihn schneller, agiler, stärker und besser gemacht. Er war ein Wesen, gemacht, um zu töten und zu siegen, gemacht, um in jedem Zweikampf das schnellere Schwert zu führen.
    
    Er hatte Werwölfe getötet, Ghule, war gegen dutzende Kämpfer im Alleingang angetreten.
    
    Doch diese Frau war eine Armee in Person.
    
    In dem Kampf, der genau acht Minuten dauerte, hatte er nur sechs Mal die Möglichkeit gehabt, anzugreifen, zu kontern, zu verletzen. Sechs Mal hatte er die Möglichkeit genutzt, und sechs Mal hatte er das Geräusch vernommen, das das Scheitern seines Angriffs verkündete.
    
    Zuerst hatte sie den linken Unterarm getroffen. Nicht sein Schwertarm, aber schmerzhaft.
    
    Dann traf sie seinen rechten Oberschenkel. Schmerzhaft, problematisch, aber noch kein zu großes Defizit im Kampf.
    
    Der Schweiß war ihm aus allen Poren getreten, als das untere Ende ihres Stabes, das spitze Ende, sich in seine Schulter bohrte und mit dem Geräusch von Metall auf Glas seinen Knochen spaltete.
    
    Noch bevor er sein Schwert vom sechsten und letzten Angriff seinerseits zurück in die Defensivhaltung hatte bringen können, spürte er, wie das obere, gekrümmte Ende das langen Stabs in seine Brust fuhr und ihm jede Luft aus der Lunge drückte.
    
    Ab da war ihm klar geworden, dass er verloren hatte. Er, Rivaell, ...
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