1. die Amazone


    Datum: 15.06.2018, Kategorien: CMNF Autor: magdi94

    „Ausziehen!“ Die Stimme des Drachen ließ die Höhle erzittern.
    
    Wetterzinnn musste schon immer eine Jungfrau und einen Batzen Goldes pro Götterlauf der Großechse zum Pfand für Schutz und Frieden entsenden. Das war schon seit Generationen so. Keiner erinnerte sich mehr an die Zeit davor. Und in der Tat hatte das kleine Königreich in den Gipfeln der Wetterzinnen die letzten Orkenkriege vollends unbehelligt überlebt, weil zwei Horden dem sengenden Odem der Flugechse zum Opfer fielen. Doch ebenso wie das letzte E in seinem Namen der Lautverschiebung im Laufe der Jahre zum Opfer gefallen war, verlor Wetterzinnn auch den Nutzen dieser Symbiose. Das Königreich war verarmt. Handelsbeziehungen existierten nicht mehr. Die Bewohner schufteten in den Minen und zeugten Nachkommen, nur um im nächsten Jahr einen weiteren Verlust beklagen zu müssen. Die Situation war nicht mehr tragbar.
    
    Mhag-Da war Söldnerin. Die Amazone aus Kurkum hatte bereits einmal einen Lindwurm erschlagen, indem sie den Moment abgewartet hatte, bis das Untier sie verschlingen wollte und im entscheidenden Augeblick ihren Khunchomer durch den Gaumen direkt in das Hirn der Bestie getrieben hatte. In der Theorie sollte sie also eine Chance haben. Ihr Lohn sollte nicht weniger als die Hälfte des Drachenhortes sein. Sollte die Echse wirklich seit Hunderten Jahren ihr Gold in der Höhle sammeln, so wäre dies mehr als genug um bereits in ihren jungen Jahren für den Lebensabend ausgesorgt zu haben.
    
    Der König von ...
    ... Wetterzinnn war zwar überrascht, als die junge Frau mit Ihrem Angebot um eine Audienz ersuchte, doch er konnte nur gewinnen. Wie sie versicherte war bisher kein Jüngling Manns genug gewesen, ihre Unschuld anzutasten, so dass selbst im Falle ihres Versagens doch das Leben einer seiner Untertanen verschont würde. Sollte sie jedoch wider aller Erwartung Erfolg haben, so gewänne er den halben Drachenhort und Ruhe und Frieden.
    
    Mhag-Da versuchte verzweifelt, die weiße Feiertagstracht nicht mehr als nötig zu beschädigen, aber es war noch schwerer, das Ding abzulegen, als sich darin zu bewegen. Die Mittelländer beschimpften die Stämme des Südens als Wilde. Wenn Zivilisation solch unnötige Kleider mit sich brachte, war sie stolz eine Wilde zu sein. Sie boten keinerlei Rüstschutz, wenig Schutz vor Kälte und behinderten mehr als ein kompletter Harnisch – wo lag da der Sinn? Schließlich gab sie auf und zerfetzte das Korsett kurzerhand. Sie streckte sich. Das tat gut. In ihrer Kindheit hatte sie in den Wäldern des Regengebirges gejagt. Durchnässte Kleidung wäre da unnötiger Ballast gewesen. Sie musste schmunzeln, als sie an sich herabsah. Die Brandsalbe des Geweihten verlieh ihr einen gewissen Widerstand gegen Feuer. Die weiße, wachsartige Substanz hellte aber auch ihren Teint merklich auf. Sie hatte das Gefühl, auf den muskulösen Körper einer Nordfrau zu blicken. Sie wusste nicht viel über die Sehkraft der alten Echsen, sollte sie jedoch gut ausgeprägt sein, so hatte sie nichts zu befürchten. ...
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