1. Vorlieben - oder wie sieht meine Traumfrau aus


    Datum: 12.12.2021, Kategorien: Romantisch Autor: lost_of_mind

    ... sicher schon einen Monat nicht mehr gesehen?" In Wirklichkeit wusste ich sogar genau die Tage und die Stunden. Denn im Grunde ging ich ja zu Babette nur noch wegen ihrer Mutter.
    
    "Ach, die besucht ihre Familie zuhause."
    
    "Und du fährst garnicht mit? Soll sehr schön sein dort? Was man so hört oder im Fernsehen sieht?"
    
    "Ich war da schon so oft. Ausserdem ist es jedesmal das gleiche da. Irgendwie wird schon bald immer der soziale Unterschied thematisiert. Im Grunde wollen sie dir ein schlechtes Gewissen einreden damit du sie an deinem Wohlstand teilhaben lässt. Papa will auch nicht mehr hin weil er die ständige Bettlerei nicht leiden kann. Er hat ihnen schon oft geholfen. Einen neuen Kühlschrank gekauft weil der alte kaputt war. Oder deren Auto in die Werkstatt gebracht. Oder das Dach reparieren lassen. Aber es ist nie genug. Statt Danke gibt es nur versteckte Vorwürfe. Und das noch, und das noch..."
    
    "Verstehe." Ich verstand natürlich nicht, weil ich die Situation selber nie sah. Aber es ist nicht verkehrt etwas Mitgefühl zu heucheln, wenn man den Redefluss am laufen halten möchte. "Und wann kommt deine Mama dann wieder?"
    
    "Am Ende der Ferien. Sie muss ja dann wieder zu ihrem Job im Schulsekretariat zurück."
    
    So sah ich Lin leider erst zwei Wochen später. Schon wie ich zu Babette hin kam spürte ich eine sehr agressive Stimmung im Haus, sobald die Türe aufging. Sehr ungewöhnlich! Kennst du das wenn man die Luft mit dem Taschenmesser in Würfel schneiden könnte, wenn ...
    ... die Spannung zum greifen ist? Dazu Babsis besorgter Gesichtsausdruck. Babette öffnete mir die Haustüre ganz, ich trat ein, aus der nahen Küche hörte man ihre Mutter toben, Babsi schob mich hinein.
    
    "Dieser Scheisskerl! Ich schneide ihm seine Eier ab wenn ich ihn nochmal sehe!" Ich hatte noch nie eine Frau so unglaublich wütend und enttäuscht gesehen. Auf der anderen Seite machte es mich echt an, dieses feurige Temperament und diese unbändige Energie zu erleben. Wie ein Tornado. Auch der erhebliche Kontrast. Im Alltag wirkte Lin immer total bedächtig und ausgeglichen. Umso beeindruckender nun der kleine Vulkan. Für nur einen kurzen Moment riss sie sich zusammen, stand auf und hauchte mir ein Küsschen zur Begrüssung an die Wange. Dann schlich sie in der Küche wie ein Raubtier im Käfig hin und her, fluchte in ihrer Muttersprache weiter. Ich verstand nichts, aber alleine der Tonfall tötete.
    
    Man konnte auch sogleich ahnen - oder besser sehen warum dieser Wutausbruch so heftig ausfiel: "Ich habe das nur wegen ihm machen lassen und jetzt lässt er mich sitzen noch bevor er das Ergebnis angesehen hatte." Das sollte ich anscheinend wieder verstehen.
    
    Ich sah Babsi an. "Was ist los bei euch?"
    
    "Papa ist gestern ausgezogen. Er hat Mama heute nichtmal mehr vom Flugplatz abgeholt. Sie musste mit ihren ganzen Koffern mit der S-Bahn herfahren."
    
    "Warum hat sie nicht angerufen? Ich hätte sie holen können." Das hätte ich tatsächlich nur zu gerne gemacht.
    
    "Darum geht es nicht. Er ...
«12...91011...43»