Gnade für den Samurai
Datum: 07.03.2022,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: bypronstories
Der Raum war voller Leute - arme und reiche, junge und alte, schöne und hässliche. Yosukes Augen huschte von einem zum anderen, dann gab er auf; er konnte sie nicht alle auf einmal im Auge behalten.
"Herr, wollt ihr wirklich hier rein....?", setzte er an, doch sein Herr ging einfach an ihm vorbei: Hideko Kobayashi war kein Mann, der seinen Willen zweimal bekannt gab.
Hastig folgte Yosuke nach innen, eine Hand am Katana. Ein Kellner eilte ihnen eifrig entgegen. "Danshaku, was für eine Ehre, Euch bei uns begrüßen zu dürfen!", lächelte er beflissen und verbeugte sich mehrfach.
Der Herr lächelte gütig und ließ sich zu einem Platz führen. Yosuke war froh, als er keinen Platz in der Mitte wählte, sondern an der Wand.
Der Herr speiste Suppe und trank Sake. Yosukes Augen flogen durch den Raum, versuchten, alle Menschen im Blick zu behalten; ihre pure Anzahl machte das schwer genug. Zudem kamen und gingen Leute über eine Treppe zum ersten Stock.
"Danshaku Kobayashi?", erklang eine Frauenstimme neben Yosuke. Seine Hand zuckte zum Katana - wie war sie nur ungesehen so nah gekommen? Doch bevor er handeln konnte, winkte sein Herr ihm, sie näherzulassen.
Die Frau sah Yosuke kurz an - und zwinkerte ihm verschwörerisch lächelnd zu.
"Ja, das bin ich. Wer seid Ihr, meine Schöne?", fragte der Danshaku.
"Sakaki Watanabe ist mein Name", antwortete die junge Frau. Ihr Kimono und Obi waren aus aufwändig bedruckter Seide. Sie bewegte sich mit einer tänzerischen Eleganz und ...
... war sehr hübsch. Ihre Nase erinnerte Yosuke an den Schnabel eines kleinen Raubvogels.
"Watanabe?", der Herr überlegte. "So heißt doch mein neuer oberster Schreiber, nicht, Yosuke?"
Yosuke nickte.
"Ja", antwortete die Frau, "das ist mein Vater! Ich wollte Euch danken, dass ihr ihm die Anstellung gegeben habt. Es ist eine solche Ehre für unsere Familie! Wie kann ich mich dafür erkenntlich zeigen?"
Der Herr lächelte kurz. "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Doch kommt, setzt Euch zu mir, trinkt einen Sake!"
Sie tranken und redeten; bald war die Unterhaltung laut und lustig. Schon stand das dritte Glas vor den beiden. Immer wieder warf die Frau laut lachend den Kopf in den Nacken. Misstrauisch beäugte Yosuke sie. Er nahm ihr nicht ab, dass sie von so wenig Sake so betrunken war.
"Herr, wir sollten...", begann er, doch der Herr schnitt ihm das Wort ab. "Hol den Kellner, Yosuke!"
Yosuke gehorchte wütend. Den Kellner holen!
Der Herr flüsterte dem Kellner etwas in das Ohr, dann unterhielt er sich weiter mit der Frau. Die fasste ihn am Arm und grinste: "Danshaku, ich muss Euch unbedingt etwas in meinem Zimmer zeigen. Kommt mit nach oben!"
Yosuke widersprach: "Herr, das kommt nicht in Frage. Lasst uns jetzt - "
"Willst du mir vorschreiben, was ich zu tun haben?", fuhr der Herr ihn an.
"Nein, aber..."
"Dann halt den Mund!", schnauzte der Danshaku.
Yosuke gab sich geschlagen. Er bestieg vor den beiden die Treppe; die Leute wichen ihm aus, wenn sie ...