Blinde Wut (1)
Datum: 12.04.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Plautzi
... lasse dich erzählen. Bei jedem deiner Sätze läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Es gibt hier in der Nähe nur einen Ort, der zu deinen Beschreibungen passt. Er gehört zu einem sogenannten "Lost Place". Ein altes Militärkrankenhaus, von Zwangsarbeitern im zweiten Weltkrieg errichtet, in dem grausamen Erzählungen zufolge, verfolgte Menschen schauerliche Gräueltaten erleiden mussten.
Ich kenne diesen fürchterlichen Ort. Als kleine Jungs sind wir dort durch die Gänge gelaufen, und haben die geheimnisvollen Tunnel erkundet. Schon damals fanden wir diesen Ort gruselig, aber spannend. Mit unseren kleinen Taschenlampen bewaffnet, sind wir mutig von Raum zu Raum gesprungen. Kindlich naiv, nichtsahnend, welch bedeutsames Gebäude uns in seinen Bann gezogen hatte.
Von englischen Besatzungstruppen nach der Räumung gesprengt, schichten sich seit dem Bruchplatten gefährlich übereinander. Überall ist freigelegter Bewährungsstahl zu sehen, der verbogen und spitz aus dem Beton ragt. Es ist schon für einen Sehenden schwierig hier zu gehen ohne sich zu verletzen. Wie mag das erst einer blinden Frau ergehen. Wahnsinn. Wären die Umstände nicht so furchterregend und menschenunwürdig, müsste man dich für deinen Mut und deine Courage bewundern.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort auch nur eine einzige ruhige Minute zum Schlafen findet. Von den Menschen um einen herum ganz abgesehen, gibt es tausend Geräusche in diesem Gemäuer. Tropfen die in Pfützen fallen, oder unter ...
... ächzen nachgebendes Material.
Fast zwanzig Minuten schilderst du deine Eindrücke. Immer wieder gerät deine Erzählung ins Stocken, dann klingt deine Stimme belegt, oder tränenerstickt bringst du kein Wort mehr heraus. Die ganze Zeit über, streichelst du Frechdachs. Er gibt dir die nötige Stärke weiterzureden.
Vorsichtig und tröstend habe ich dir meine Hand auf die Schulter gelegt. Deine freie Hand greift nach meiner. Als du sie gefunden hast, legst du dir beide in deinen Schoß, und drückst sie fest.
Sogar Frechdachs leckt jetzt schon vertrauensvoll über meine Hand. Vielleicht schmeckt sie auch noch etwas nach Markknochen.
Du könntest gut eine Umarmung gebrauchen, das spüre ich. Du traust dich nicht darum zu bitten, und ich traue mich nicht, dich einfach in die Arme zu ziehen. So sitzen wir beide brav nebeneinander.
"Nele, das klingt schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe. Ich mache dir einen Vorschlag. Denke in Ruhe darüber nach: Morgen ist Freitag, dann kommst du und Frechdachs abends mit zu mir. Dort kannst du duschen oder baden, ganz wie du möchtest, so lange du willst. Du kannst dich satt essen, und in einem warmen Bett schlafen. Ganz für dich allein in einem Gästezimmer. Ich verspreche, ich werde dir nichts tun. Es gibt meinerseits keine Hintergedanken. Ich schwöre es dir. Dann werden wir deine Wäsche waschen und trocknen. Und du darfst erstmal bis Sonntag bleiben, dann sehen wir weiter."
"Josh, du bist ein Mann. Du denkst wie die anderen Wichser auch nur ...