Blinde Wut (1)
Datum: 12.04.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Plautzi
... gemerkt. Ich bin Nele."
"Hallo Nele, freut mich Sie kennenzulernen. Jeden Tag sehe ich Sie hier sitzen. Ich möchte Ihnen gern helfen, wenn ich darf? Haben Sie Schmerzen, ihr Auge sieht schlimm aus."
"Wieso wollen Sie das tun, ich bin es nicht wert, niemand hilft mir. Sie sind der Einzige, der mir immer etwas zusteckt, warum tun Sie das? Und nein, ich habe keine Schmerzen, und es geht Sie auch nichts an."
"Das stimmt. Eigentlich geht es mich nichts an. Ich möchte Ihnen helfen, weil in diesem Staat niemand so leben muss, wie Sie es offensichtlich tun. Ich möchte Ihnen anbieten, Sie zu den Ämtern zu begleiten, damit Sie eine Bleibe bekommen, und wieder auf eigenen Füßen stehen können. Für eine bessere Zukunft. Wo leben Sie gerade?"
"Das verrate ich Ihnen nicht. Ich kenne Sie nicht. Die Situation macht mir Angst. Bitte gehen Sie."
"Ok, das verstehe ich. Ich gehe jetzt. Aber bitte überlegen Sie es sich. Ich komme jeden Tag hier vorbei. Und wenn es Ihnen recht ist, unterhalten wir uns jeden Tag ein bisschen. So lernen wir uns besser kennen. Wenn es dann für Sie ok ist helfe ich Ihnen. Wenn nicht, verschwinde ich aus Ihrem Leben, ok? Und es kostet Sie nichts, nur eine wenig Vertrauen."
Langsam stehe ich auf. Ihr starrer Blick folgt mir. Ihre Pupillen wirken leer und farblos, ohne dieses schöne, kräftige blau, braun oder grün, wie es sonst einen Augapfel schmückt. Wieder tastet sie ihre Umgebung ab um zu prüfen, ob ich wirklich weg bin. Leise höre ich sie meinen ...
... Namen sagen:
"Josh ... Josh? Bist du noch da?" Ich antworte ihr nicht.
Morgen werde ich wieder hier sein, soviel ist sicher. Aber dann habe ich eine Plastiktüte mit etwas neuer Wäsche für sie dabei, die ich heute noch in einem Second Hand Geschäft kaufen werden. Wenigstens eine neue Hose, zwei oder drei T-Shirts, und eine Jacke. Vielleicht wird sie es nicht annehmen, kann gut sein. Aber dann werde ich die Tüte einfach bei ihr stehenlassen. Und wenn sie den Inhalt geprüft hat, kann sie selbst entscheiden, ob sie Kleiderspende annehmen möchte.
Ihre Kleidergröße zu schätzen fallt mir schwer. Zu ihrer Größe würde gut eine 36 oder 38 passen. Aktuell wird vermutlich sogar Kleidung in 176, S oder sogar XS an ihr locker herumschlackern.
Im Shop werde ich schnell fündig. Kurz erkläre ich der Verkäuferin mein Problem. Im Grunde ist es mir egal, wenn die Sachen etwas zu groß sind. Hauptsache sie sind heil, sauber und warm genug.
Die Auswahl ist riesig. Am Ende sind es zwei T-Shirts, ein Sweatshirt, eine Hose und eine Übergangsjacke.
Weil es für einen guten Zweck ist, bekommen ich von der Verkäuferin, die gleichzeitig Inhaberin des Geschäftes ist, einen großzügigen Rabatt.
Es ist ein gutes Gefühl die prall gefüllte Plastiktüte in den Händen zu halten. Gleichzeitig habe ich auch etwas Angst vor ihrer Reaktion. Wird sie vor Freude und aus Dank in Tränen ausbrechen? Oder wird sie mir Teil für Teil an den Kopf werfen und mich anbrüllen? Ich befürchte, mein Gehirn wird heute ...