1. Blinde Wut (1)


    Datum: 12.04.2022, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... weiß können wieder möglich sein. Leider zahlen die Krankenkassen so seine Operation nicht, und verweisen auf die Berufsgenossenschaft, die das aber auch schon abgelehnt hat. Und mein Arbeitgeber hat mich gefeuert, mit einer Blinden kann er nichts anfangen."
    
    "Aber du bist doch nicht dumm, warum hast du dich denn nicht umschulen lassen, Blindenschrift gelernt, und arbeitest wieder? Und warum hast du nicht gegen deinen Arbeitgeber geklagt?" frage ich neugierig nach.
    
    Innerlich bin ich sauer auf die arroganten Krankenkassen und Berufsgenossenschaften. Beiträge in horrenden Höhen kassieren, aber wenn's drauf ankommt, wo sind sie dann? Ja ja ich weiß, auch das ist jetzt unfair. Die regulieren schon ganz ordentlich was, keine Frage. Aber sorry, dieses Schicksal macht mich gerade wütend.
    
    "Josh, du hast so viele Fragen. Und glaube mir, einige davon habe ich mir selbst auch schon oft gestellt. Ich stand von vorn herein alleine vor den ganzen Problemen. Mein Arbeitgeber ist zu groß und mächtig. Die leisten sich gleich eine ganze Herde von Advokaten. Dagegen habe ich keine Chance und auch keine Kraft mehr."
    
    Mit dieser Antwort hast du im Grunde bestätigt, was ich mir schon dachte. Dazu muss ich mir mal Gedanken machen. Ich kenne da ein paar Leute. Es ist aber besser, ich sage dir davon erstmal nichts.
    
    "Nele, brauchst du heute noch Lebensmittel? Dann gehe ich eben in den Supermarkt, und hole dir das Nötigste." "Ich bin nicht wichtig, aber für Frechdachs habe ich kein Futter ...
    ... mehr." "Ok warte hier, ich bin gleich wieder da."
    
    Kurz lege ich dir meine Hand auf deine Schulter. Der Hund fletscht kurz die Zähne. Du selbst zuckst nicht zurück. "Bis gleich' und schon bin ich verschwunden.
    
    Der Weg zum Supermarkt ist nicht weit. Ich muss aufpassen nicht zu viel zu kaufen. Du musst ja schon den Beutel mit der Wäsche tragen. Dann noch die Lebensmittel, da bleibt keine freie Hand für den Blindenstock.
    
    Wenn ich nur wüsste wo du wohnst. Ich würde dir ja tragen helfen, und dich sicher zu deinem Schlafplatz begleiten.
    
    Manchmal habe ich auch zu viel gekocht. Davon würde ich dir gern etwas abgeben, wenn ich wüsste, dass du es dir auf einem Herd oder in einer Mikrowelle warm machen könntest. Ich weiß einfach noch zu wenig von dir. Ich könnte dir später einfach hinterhergehen. Ist das dann ein Vertrauensbruch?
    
    Du wirst deine Gründe haben, warum du mir nicht verrätst, wo du schläft. Ich war noch nie in einer solchen Situation, und möchte auch niemals in eine solche hineingeraten. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es unter den Obdachlosen so eine Art Kodex gibt. Niemand, der nicht zur Szene gehört darf wissen, wo die geheimen Schlafplätze sind. Viel zu groß ist das Risiko der Zwangsräumung, wenn die Plätze eben nicht mehr geheim sind.
    
    Und man muss sich einen Platz im Schutz der "Gemeinschaft' verdienen. Alles wird geteilt, dass bisschen Nahrung, der wertvolle Alkohol, und die Frauen. Vielleicht hast du daher die blauen Flecken und das Veilchen. ...
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