1. Blinde Wut (1)


    Datum: 12.04.2022, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... erleichtert das ich bleiben darf, und sie die Wäsche offensichtlich auch behalten möchte.
    
    "Ok, dann lege ich mal los: Ich bin 33 Jahre alt, arbeite als Speditionskaufmann. Ich bin 1,80m groß und habe ein paar Gramm zu viel auf den Rippen. Aber ich bin nicht unsportlich, sondern einfach nur zu faul.
    
    Ich wohne in einer Eigentumswohnung, die ich von meiner Oma geerbt habe, hier ganz in der Nähe."
    
    schildere ich mit kurzen Worten meine aktuelle Situation.
    
    Wortlos hebt Nele die Hände, und legt sie mir auf die Wangen. "Darf ich dein Gesicht fühlen?" fragt sie schüchtern. Natürlich erlaube ich es ihr, weil ich weiß, dass Blinde so das Aussehen "erfühlen'.
    
    Mit ganz sanften, vorsichtigen Bewegungen fährt sie mit ihren Fingerspitzen über mein Kinn, über meine Lippen, etwas höher über die Nase und den Wangenknochen, bis hin zu den Augenbrauen. Danach streicht sie mit den ganzen Handflächen über mein Gesicht, und ertastet die Kopfform. Geduldig lasse ich sie fühlen, streicheln, tasten, und riechen.
    
    "Du fühlst dich schön an, dein Gesicht strahlt Ruhe und Freundlichkeit aus. Ich mag wie du riechst, und ich mag deine Stimme. Und danke schon mal für die Wäsche. Ich kann es gut gebrauchen.
    
    Ich bin auch 33 Jahre alt, und war mal Chemielaborantin. Dann gab es einen Unfall in der Firma, und ein paar Tropfen einer verspritzten Säure vom Nachbartisch verätzten meine Augen. Ich war zu der Zeit mit Schreibkram beschäftigt, und trug keine Schutzbrille. Die Berufsgenossenschaft ...
    ... verweigert deshalb alle Leistungen."
    
    Ein Arbeitsunfall, und die BG zahlt nicht? Kann man da nicht gegenangehen? Sofort habe ich einige Fragen im Kopf. Wo sie wohnt, was ist mit einem Partner oder Kindern, wieso hilft der Arbeitgeber nicht,
    
    und und und ... Umso schlimmer, dass sie hier sitzt. Sie ist nicht dumm, würde sehr wohl alleine zurechtkommen.
    
    "Und wo wohnst du jetzt?" frage ich sie. "Das verrate ich dir NOCH nicht. Dazu muss ich dich erst besser einschätzen können."
    
    Erst jetzt fällt mir auf, dass wir unbemerkt und wie selbstverständlich, zum vertrauten "DU' übergegangen sind. Mir persönlich gefällt das sowieso viel besser, als das steife "SIE'. Ich finde, man unterhält sich einfach angenehmer. Deshalb werde ich ab jetzt in der "Du-Form" weitererzählen.
    
    Ich kann verstehen, dass du zurückhaltend bleibst. Schließlich bleibt dir verborgen, was uns bei einem Gespräch so selbstverständlich ist. Die Mimik und Gestik des Gesprächspartners.
    
    Mir ist klar, dass du mehr Zeit als Andere brauchst um Vertrauen aufzubauen. Von mir aus darfst du dir alle Zeit der Welt nehmen. Hauptsache ich darf dir helfen, bevor die Kälte hier draußen für dich unerträglich wird.
    
    "Oh man Nele, das tut mir sehr leid für dich. Was sagt denn dein Arbeitgeber zu der Sache? Und die Ärzte?"
    
    "Die Ärzte sagen, dass es eine kleine Chance gibt, das Augenlicht - zumindest ein bisschen - wieder herzustellen. Ganz scharf werde ich nie wieder sehen können. Aber wenigstens Umrisse und schwarz / ...
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