Blinde Wut (1)
Datum: 12.04.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Plautzi
... pro Woche.
"Ok Nele, ich verstehe. Darf ich denn damit rechnen, dass du morgen wieder hier sein wirst?"
"Ich freue mich jetzt schon drauf." ist genau die Antwort auf die ich gehofft habe.
"Also dann, ich muss mal wieder los. Wir sehen uns dann. Ich freue mich auch."
Ich stehe auf und beobachte dich eine Zeitlang. Ich sehe wie unsicher du wieder geworden bist. Misstrauisch und ängstlich. Ist irgendwie auch logisch.
Deine Blindheit ist nicht angeboren, sondern behindert dich erst seit Kurzem. In der kurzen Zeit hast du gelernt, dass die Menschen um dich herum nicht immer gut für dich sind. Das man nur den Wenigsten trauen kann, und das man dich nur ausnutzt, wo es geht.
Mein Leben hat sich mit meiner Blindheit und Obdachlosigkeit um 180Grad gedreht. Nichts ist mehr wie es mal war. Kein warmes Nest, keinen Partner, keine Kinder, keine Privatsphäre. Ich muss mir gefallen lassen, dass "Pennerkollegen' einfach meine Brüste betatschen, mir in die harten Nippel kneifen, oder mir zwischen die Beine fassen, und mit ihren schmierigen Fingern in mich eindringen.
Bisher ist noch nichts Schlimmeres passiert. Bis auf gestern, wo man mich verprügelt hatte, weil ich mich weigerte, einen alten Sack mit der Hand und dem Mund zu befriedigen.
Sex darf ich nicht zulassen. Den Zugang zu meiner Scheide muss ich mit Leib und Leben verteidigen. Die Pille kann ich mir schon lange nicht mehr leisten, und Kondome als Mindestschutz vor Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft, ...
... sind genauso wenig verfügbar wie ein Sportwagen von Mercedes Benz. Und genau aus diesem Grund schlafe ich niemals tief und bin froh, dass mein kleiner Hund so sehr auf mich aufpasst. Selbst das Tier spürt, dass ich beschützt werden muss.
Ich bin froh, dass der kleine Rüde einen so großen Beschützerinstinkt hat und bei dir ist.
Bedächtig tragen mich meine Schritte in Richtung Wohnung. Was ich von dir erfahren habe ist nicht viel. Aber das Wenige hat gereicht, um mich nachdenklich werden zu lassen. Selbst die spannende Serie auf Netflix, die mich sonst fest an die Couch fesselt, kann mich heute nicht erreichen. Vor meinen Augen spielen sich Bilder aus deiner Unterkunft ab.
Von Gestalten, die betrunken rumpöbeln, oder sich einpinkeln weil sie es nicht mehr rechtzeitig an den nächsten Busch geschafft haben, und wie sie sich die wenigen Frauen teilen.
Kannst du überhaupt die Sachen anziehen, ohne dass du dich den sabbernden Blicken der Anderen aussetzen musst? Möglicherweise habe ich dich damit in eine brenzliche Situation gebracht?
So gut auch meine Idee war, und so groß mein Wille zu helfen, habe ich dennoch ein schlechtes Gewissen bekommen. Hoffentlich geschieht dir nichts. Mit diesem letzten Gedanken falle ich in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Tag in der Firma bin ich nicht wirklich anwesend. Physisch ja, aber psychisch weit entfernt von den Aufgaben auf meinem Schreibtisch. Es ist die Ungewissheit, die mich ablenken. Die offen gebliebenen Fragen um diese ...