1. Unter anderen Vorzeichen


    Datum: 04.05.2022, Kategorien: Romantisch Autor: lost_of_mind

    ... "grossen Bruder" sehr. Er zog tatsächlich zu seiner Grossmutter, am anderen Ende von Bayern, so könnte er zum neuen Schuljahr direkt in die neue Klasse wechseln und hätte dadurch möglichst wenig Reibungsverluste.
    
    Und jetzt? Daniela und ich sassen am Abend nach meiner Arbeit wie so oft in der riesigen Küche. Im Haus herrschte gespenstische Ruhe, nur der kleine Sonnenschein tobte durch die verlassenen Räume. Fehlten eigentlich nur noch Kugelbüsche, die vom Wind über den Flur getrieben wurden. Staubflusen gab es schonmal genug.
    
    Daniela sprach als erste die Situation an. "Unheimlich hier, nicht? Wenn man die Überfüllung von früher noch kennt? Jetzt erst merkt man wie riesig groß das eigentlich ist? Haaallloo Eeeechooo!" Blödelte sie.
    
    Die Kleine kam angesprungen. Hatte irgendeine Basecap gefunden, die ihr natürlich viel zu Groß war und ihr die Augen verdeckte. Sie stolperte deshalb fast über ihre eigenen Füsse. Sie zupfte mich am Ärmel und fragte: "Aber du bleibst jetzt schon da? Oder gehst du auch noch?"
    
    Daniela gab ihrer Tochter die Antwort: "Nein, Marvin wird bleiben. Eher müssen wir fragen ob wir bleiben dürfen?"
    
    "Also ich gehe hier nicht mehr weg!" Krähte sie fröhlich und voller Überzeugung. Wir mussten herzhaft lachen. Das steht Daniela wirklich gut!
    
    "Und ich gehe nochmal eine Stunde an die frische Luft!" Sagte ich und stand auf. Aus irgendeinem Grunde schlug ich den Weg ins Nachbardorf ein. Stand nach 2 Kilometern plötzlich vor der Kirche, faktisch der ...
    ... inoffizielle Zweitwohnsitz von Linda über viele Jahrzehnte. Ich mag Kirchen nicht. Friedhöfe schon garnicht. Dennoch trat ich durch das geschmiedete Eisentürchen. Ungefähr ahnte ich wo Otto und Linda liegen.
    
    Das war das erste Mal nach über zwei Jahren dass ich zum Grab ging. Ein trüber wolkiger Tag, teilweise mit Nieselregen, die Dämmerung war auch nicht mehr so wirklich weit. Das Grab wirkte auffallend gepflegt obwohl ich zu meiner Schande nie etwas dazu tat. Jemand hatte am Grabstein ein Foto der beiden in einem Glasrahmen befestigt, inzwischen leicht verblasst. Otto und Linda blieben anscheinend auch anderen Menschen in guter Erinnerung?
    
    Denn ich war tief gespalten. Rein rechtlich gehörte mir nun das Haus. Aber es war nicht mein Haus. Es war immer das Haus von Otto und Linda geblieben, ich war nur zu Besuch geduldet. So empfand ich es seit Linda nicht mehr da war. Seither war ich auch nur beschäftigt für den Moment irgendwie zu funktionieren, hatte mir nie Gedanken gemacht wie es weiter gehen sollte.
    
    Eigentlich fühlte ich mich wohl. Hatte einen guten Job. Fand wenige aber sehr gute Freunde, zu denen inzwischen auch unbestritten Daniela gehörte. Meine Wohnsituation ist auch sehr gut, für meine Abstammung regelrecht luxuriös. Aber dürfte ich wirklich in diesem Haus bleiben? Und wie sollte es nun weiter gehen?
    
    Ich stand seitlich des Grabes, murmelte mehr zu mir selber: "Bitte gebt mir einen letzten Rat. Helft mir noch einmal bei meiner Entscheidung. Was soll ich ...