1. In den Klauen des Bösen


    Datum: 22.05.2022, Kategorien: Sonstige, Autor: Freudenspender

    ... im allgemeinen Getümmel nicht wahrzunehmen, er ist im Fluchtmodus und nur darauf konzentriert, wegzukommen. Allerdings verstehe ich nicht, was er vorhat. Die Eingänge sind blockiert und eine andere Tür kann ich nicht ausmachen. Der Fluchtweg ist versperrt. Doch Pablo stürmt auf die Wand hinter der Bühne zu, zieht einen Vorhang zur Seite und legt damit eine verborgene Tür frei. Er will die Klinke ergreifen und ist damit der Freiheit ganz nahe. Offenbar haben die Kollegen diese Tür vergessen und nicht gesichert.
    
    Ich reagiere sofort. Ich remple ihn an und drücke ihn gegen die Tür, die er damit nicht öffnen kann, da sie in den Raum hinein aufgeht.
    
    "Halt, Polizei!", rufe ich. "Pablo, du bist verhaftet."
    
    Der Angesprochene dreht sich um. Seine Augen sind weit aufgerissen, als würde er ein Gespenst sehen. Er ist wie gelähmt. Ich kann ihm widerstandslos den Arm auf den Rücken drehen. Ein herbeigeeilter Beamter reicht mir die Handschellen, die ich ihm anlegen und ihn dann übergeben kann.
    
    "Du bist eine Bullenschlampe?", stößt er ungläubig hervor, als er abgeführt wird.
    
    Offenbar erwacht er allmählich wieder aus seiner Schockstarre. Er versucht sich von dem Beamten, der ihn zum Ausgang führt, loszureißen und will zu mir her. Doch gefesselt hat er keine Chance. Im Blick, den er mir noch zuwirft, ist grenzenlose Enttäuschung zu erkennen.
    
    Mir ist das egal. Ich höre gar nicht mehr hin und wende mich meiner Schwester zu. Sie steht verunsichert auf der Bühne. Genauso, wie ...
    ... sie zu Beginn der Veranstaltung hingestellt wurde, nur etwas zur Seite gedrängt. Sie scheint nicht ganz zu verstehen, was vor sich geht. Ich trete auf sie zu und nehme sie in den Arm. Sie ist im ersten Moment ein wenig steif, so als würde sie jemand in den Arm nehmen, von dem sie es nicht erwarten würde. Dann aber schlingt sie die Arme um mich. Sie vergräbt den Kopf in meiner Halsbeuge und ich spüre, wie es feucht wird. Anna weint leise vor sich hin. Zunächst ist es ein stilles und ruhiges Weinen, wird aber immer heftiger und geht schließlich in ein befreiendes Schluchzen über.
    
    "Danke!", sagt sie ganz leise. "Ich dachte schon ...". Dann bricht ihre Stimme.
    
    Kapitel 14
    
    Ich sitze im Park der JVA Stadelheim, in dem das Wachpersonal seine Pausen verbringt. Normalerweise haben Besucher in diesem Teil des Gefängnisses keinen Zutritt und Häftlinge schon gar nicht. Ich habe eine Sondergenehmigung. Ich sitze auf einer der Parkbänke und warte darauf, dass die Wachen Pablo bringen.
    
    Die Aktion vor etwa drei Wochen war ein voller Erfolg. Pablos gesamte Organisation konnte zerschlagen werden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Pablo und seine Helfer, aber auch gegen die potenziellen Käufer und die tatsächlichen Käufer früherer Mädchen, Anklage erhoben. Zum Glück hat Pablo genaue Buch geführt. Auch wenn seine Aufzeichnungen verschlüsselt waren, unsere Experten konnten den Code entschlüsseln. Damit war es leicht, alle Transaktionen nachzuvollziehen. In 21 Ländern haben Polizeibeamte ...