1. Verlorene Hoffnung


    Datum: 20.07.2022, Kategorien: Romantisch Autor: Achterlaub

    ... mitnehmen.
    
    Einmal waren sie im Kino. Roman hatte irgendeinen Horrorfilm ausgesucht. Das war nicht ihr Geschmack. Julia mochte eher das Leichte oder Romantische. Roman neben ihr genoss den Film. Mal schaute er gebannt auf die Leinwand, dann wieder wenn die Furcht ihn gepackt hatte, griff er ihre Hand ganz fest. Und dann gab es auch Situationen, bei denen Ro laut auflachte, so dass sogar ihr Sitz ins Schwingen geriet.
    
    So sehr Julia auch grübelte. Es kamen über die Zeit nicht mehr als genau ein Dutzend Treffen zusammen. Im Nachhinein musste sie feststellen, dass sie maximal drei Mal körperlich vereint waren. Ihr war das genug. Aber ob einem jungen Mann das genügte? Das kam ihr mit Verlaub merkwürdig vor.
    
    Vielleicht hatte er eine neben ihr. Das könnte gewesen sein. Irgendwie schienen Romans Eltern wenig zugänglich, richtig abweisend, als sie sie mit Ro besuchte. Im Krankenhaus tauchte Roman noch regelmäßig auf. Als es dann in die Reha ging, blieb es bei einem einzigen Mal. Seine Ausflüchte waren einfallslose, lapidare Worte. Die 50 Kilometer seien weit. Er habe mit seinem Studium zu tun. Es stünden die Zwischenprüfungen an. Seine Mutter sei kürzlich schwer erkrankt.
    
    Sie hatte Roman noch per Whatsapp mitgeteilt, wann sie nach Hause zurück kehren würde. Die Nachricht hatte Ro auch geöffnet. Aber es kam keine Antwort mehr.
    
    Irgendwie hatte Julia das schon erwartet oder befürchtet. Vielleicht, wenn sie ehrlich zu sich wäre, hatte sie es sogar erhofft. Es würde ihr ...
    ... Gelegenheit geben, neu zu sich zu finden. Nun war sie eine Frau mit Beinprothese, ein Krüppel, dem man es nicht sogleich ansah, weil sie stets weit geschnittene Hosen trug. Stets glaubte sie, wenn ein Mann sie interessiert oder gar keck anschaute, es wäre Mitleid. Jeder könnte ihr Manko sehen. Und wer es nicht sogleich bemerken würde, wäre ohnehin jemand, der kaum ausreichend Verständnis und Mitgefühl für ihre Situation entwickeln könnte.
    
    Der Helmut Qualtinger hatte den Blick der Außenwelt auf Personen wie sie schon recht gut in seinem Krüppellied beschrieben: "Ich sprach zu einem Mägdelein: Du hast nur einen Haxen! Das macht ja nix, sei trotzdem mein. Er wird dir doch nicht wachsen." Sicher wären die wenigsten so direkt und so bösartig. Aber für Julia machte es letztlich keinen Unterschied, ob man sie mit Verachtung, Missachtung oder diesem gekünstelten Mitleid betrachtete. Nichts würde ihr das verlorene Körperteil zurück bringen, das auch Teil ihrer Seele war.
    
    Die wochenlange Reha hatte ihr wohl die nötige Beweglichkeit gebracht. Julias Seele blieb geschunden, trotz der vielen Sitzungen mit Psychologen, Psychotherapeuten, mal in der Gruppe, mal als Einzelgespräch. Sie ließ niemanden ihr Innerstes schauen. Das wollte sie allein nur mit sich ausmachen. Da gehörte niemand hinzu, der sie doch nur mit Sprüchen belehren wollte, die nicht ihr Innerstes berühren könnten.
    
    Es war deshalb auch irgendwie folgerichtig, dass sie die Reha abbrach, nachdem sie meinte, ausreichend ...
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