Verlorene Hoffnung
Datum: 20.07.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Achterlaub
... wieder auf die Beine gekommen zu sein. Den Rest müsste der Alltag bringen, in den sie sich schon bald mit großem Mut hineinstürzte.
Julia hat dann tatsächlich das Lehramtsstudium aufgenommen. Was sie für sich schon in der Reha beschlossen hatte war, dass sie sich in ihrem Berufsleben keinesfalls mehr als nötig quälen wollte. Das war eine ganz rationale Entscheidung. Deshalb wählte sie nur sogenannte Nebenfächer wie Geografie und Politik in der Gewissheit, dass man ihr als Behinderter wohl kaum vorhalten werde, keines der arbeitsintensiven Hauptfächer gewählt zu haben.
Das Studium ging Julia leicht von der Hand. Sie war strebsam. Um all die vielen politischen und kulturellen Veranstaltungen machte sie ebenso einen großen Bogen wie um Feiern der Fachschaften. Sogar private Einladungen von Bekanntschaften nahm sie allenfalls sporadisch und dann auch nur für wenige Stunden wahr.
Julia wurde zur Einzelgängerin, und das ganz bewusst. Sie hasste diesen äußerlichen Glanz, mit dem ihre Kommilitoninnen über Makeup, Kleidung und laszives Verhalten sich heraus zu heben versuchten ebenso wie den der männlichen Mitstudenten, die sich mal als superkluger Macho, mal als memmenhaften Frauenversteher gaben. Echte Gefühle spielten da selten eine Rolle. Es ging letztlich nur um Protzerei.
Wahrscheinlich war Julia damals noch nicht bewusst, dass sie selbst nicht viel anders als die Masse auch nur eine Rolle spielte. Sie war eben das hässliche Entlein, die am Wegrand stehende Rose, ...
... der allerdings einige Blütenblätter abhanden gekommen waren. Vielleicht wollte sie doch nur von dem Prinzen gefunden werden, dem weder Stacheln noch das Fehlen einiger Blütenblätter etwas ausmachte.
Es wäre allerdings zu viel hinein interpretiert, wenn man glaubte, Julia suhle sich sozusagen in ihrem Leid. Sie hatte nur ihr Lebensziel strikter ins Auge gefasst, als die meisten anderen. Das Studium, das Lernen für Prüfung und Examen war zu ihrem herausragenden Lebenszweck geworden.
Die Examenszeit nahte, und Julia hatte sich nun nahezu völlig zurück gezogen. Gelegentlich machte sie einen ausgedehnten Spaziergang in die nahe gelegenen Wälder. Auch gönnte sie sich öfter als sonst einen Besuch in einem Café. Das war ihre Art zu entspannen. Glücklicherweise hatte sie anders als viele ihrer Kommilitonen noch nie Gewichtsprobleme gehabt. Sie war nach wie vor eine äußerst adrette, vielleicht sogar hübsch zu nennende schlanke blonde Frau mit Ausbuchtungen an rechter Stelle.
Gleichwohl war es merkwürdig. Ihr war schon vor geraumer Zeit aufgefallen, dass sie zwar durchaus Blicke interessierter junger Männer auf sich zog. Aber nur ganz selten sprach sie jemand an. Sie hatte das immer auf ihre Behinderung geschoben. Mit der Zeit kamen ihr dann doch Zweifel auf, zumal etliche andere wenig attraktiv erscheinende Mitstudentinnen recht häufig von Burschen angesprochen wurden, erkennbar um einen mehr oder weniger intimen Kontakt herzustellen.
Julia konnte das nicht recht verstehen. ...