1. Zimmer 222


    Datum: 29.09.2022, Kategorien: Ehebruch Autor: ERZaehler

    Nervös schaute er zum gefühlt hundertsten Mal auf seine Uhr. Es war kurz vor 11 Uhr mittags. Die Zeiger schienen wie angestemmt zu sein. Eine Minute wurde zur Ewigkeit. SIE war auf dem Weg zu ihm und es war nur noch eine Frage von Augenblicken, bis sie bei ihm ankam.
    
    Das Hotelzimmer mit seiner großen Fensterfront war nicht allzu groß, aber sauber. Ein bequemes Doppelbett mit durchgehender Matratze, ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch, zwei Stühle, ein TV und verschiedene Kunstdrucke an den Wänden spiegelten das typische Hotelflair wider. All das hatte er zwar registriert aber nicht wirklich wahrgenommen. Dieses Zimmer sollte nun bald Zeuge eines romantischen Treffens der ganz besonderen Art werden.
    
    Gleich nach seiner Ankunft koppelte er sein Handy mit einem kleinen Bluetooth-Lautsprecher und startete eine sorgfältig ausgesuchte Playlist romantischer Balladen und gemeinsamer Liebeslieder. Als erstes Lied sang Kerstin Ott "Wegen dir". Dieses Lied war von Beginn an zur kleinen Hymne für die beiden Verliebten geworden, denn jede Zeile des Textes drückte ganz genau DAS aus, was sie füreinander fühlten.
    
    Seine Gedanken waren fast ausschließlich bei ihr. Heute würde er ihr zum ersten Mal begegnen; der Frau, die ihm noch fremd aber gleichzeitig so vertraut und nah war. Die unzähligen Telefonate und Mails der letzten Wochen hatten beide emotional zueinander gebracht. Jeder wusste viel vom Leben des jeweils anderen: Familie, Arbeit, Träume und Sehnsüchte offenbarten sie sich ...
    ... in bisher nie gekannter Ehrlichkeit, die für beide so neu, besonders, und dabei doch eigenartig vertraut war. Der heutige Tag war lange vorausgeplant und von allen Seiten durch Alibis gedeckt.
    
    Das Klingeln seines Handys riss ihn aus dem Gedankenkarussell. Ihr Name auf dem Display ließ ihn Lächeln. "Hallo, ich bin jetzt da.", hörte er sie sagen. "Zimmer 222 - soll ich herunterkommen?", fragte er. "Nein, ich finde den Weg. Bis gleich." Die Temperatur im Zimmer stieg rasant an.
    
    Nachdem er aufgelegt hatte, eilte er ins Bad und wusch sich die stressgebadeten Hände. Dabei sah er sein Spiegelbild und verharrte kurz. Der Puls schlug ihm vor Aufregung bis zum Hals. Fühlt sich so Fremdgehen an? Er betrat ab jetzt unbekanntes Terrain. In den fast 30 Jahren seine Ehe war er - abgesehen von oberflächlichen und bedeutungslosen Flirts, die über alkoholbeflügelte Gespräche nie hinausgegangen waren - seiner Frau nie untreu gewesen. Das sollte sich jetzt ändern und doch spürte er keinerlei Reue oder Gewissensbisse, diesen Schritt zu wagen. Wohl auch deshalb, weil er wusste, dass es seiner Angebeteten ebenso ging. Beide waren lange glücklich mit ihren Partnern verheiratet und doch fehlte etwas, dass sie in dieser Affäre beim jeweils anderen entdeckt hatten und neugierig aufeinander machte.
    
    Wie in Trance ging er zur Tür und schaute den Flur entlang. Von Ferne nahm er Geräusche von Absätzen auf Steinstufen wahr. Dann kam sie um die Ecke; eine Flasche Wein und eine Tasche in der Hand. Er ...
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