1. Sirene auf Abwegen


    Datum: 16.03.2023, Kategorien: Sonstige, Autor: Sirene

    ... mich, und wir hatten immer schon ein schönes Leben. Er verdiente gut mit seiner Firma, und ich verdiente gut als Diplom-Kauffrau in einer Firma für Projektentwicklung. Ich hatte schon letztes Mal berichtet, daß ich durch meinen Beruf viele interessante Menschen kennenlernte. So war es auch diesmal.
    
    Ein Kunde brauchte eine intensivere Beratung. Ich rede jetzt nicht vom geschäftlichen Teil. Er war frisch geschieden. Er lud mich ein zum Essen. Dann klagte er mir sein Leid über seine Frau und die Scheidung. Er mochte so Ende dreißig sein und war wohl, wenn ich das richtig heraushörte, seit mehr als zehn Jahren mit ihr verheiratet gewesen. Ehen sind genauso kompliziert wie Geschäftsbeziehungen. Bei den beiden hatte es einfach nicht mehr geklappt.
    
    Trenne Berufliches und Privates ganz strikt, das war immer meine Devise. Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Dieser Mann, er hieß Gundolf, machte einen geknickten Eindruck. Er war traurig, das war ihm deutlich anzumerken, und er hatte Gesprächsbedarf. Irgendwie hatte ich Mitgefühl mit ihm und seiner Situation. Nach dem Abendessen lud er mich noch in eine nahegelegene Bar ein. Hier war viel los. Klar, die Leute wollten nach einem stressigen Arbeitstag entspannen.
    
    Auch ich brauchte nach dem heutigen Tag Entspannung. Mein Mann war die ganze Woche beruflich unterwegs und wir hatten schon Donnerstag. Will sagen, seit letztem Sonntag bin ich nicht mehr gevögelt worden. Gundolf wurde mir immer sympathischer. Das laute ...
    ... Treiben in der Bar wurde mir zu viel. Ich fragte ihn, ob er mich nachhause bringen würde. Natürlich tat er das. Vor unserem Haus wirkte er noch trauriger als ohnehin schon. Ich bat ihn mit hinein.
    
    Ich weiß nicht mehr, ob ich es beim ersten Mal schon beschrieben habe, aber ich habe eine ganz stattliche, frauliche Figur. Auch mit meinen vierunddreißig Jahren kann ich mich noch am Strand gut und ganz ohne sehen lassen. Mein Mann liebt es, wenn er dann die gierigen Blicke anderer Männer bemerkt. Obwohl ich ja an diesem Abend ordentlich und beruflich zurückhaltend gekleidet war, hatte Gundolf es wohl auch registriert.
    
    Ich holte eine Flasche Wein und schenkte uns beiden ein. Wir stießen an, und er bot mir das DU an: "... wenn es nicht zu unverschämt ist", fügte er hinzu. Es folgte der unvermeidliche Bruderschaftskuss. Gundolf nutzte die Gelegenheit. Er vertiefte den Kuss, und ich widerstand ihm nicht. Er ergriff die Chance beim Schopf, zog mich enger an sich, und seine Hände flogen über meinen ganzen Körper. Überall spürte ich plötzlich Gänsehaut. Konnte es sein, ich wurde willig?
    
    Es konnte nicht nur sein, es war so. Schon seit Tagen hatte mich niemand mehr geküsst, niemand hatte mich mehr berührt oder gar richtig angefasst. Gelegenheit macht Diebe, heißt es. Gerade jetzt glaubte ich, den tieferen Sinn dieses Spruchs zu verstehen. Gundolf und ich befanden uns auf dem Pfad der Untugend. Also zumindest ich war dort angekommen, er war ja inzwischen geschieden, aber ich war eine ...
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