1. Das Weinbacher Kaiserfest - Kapitel I


    Datum: 02.09.2018, Kategorien: CMNF Autor: Anonym

    ... zu bleiben und mit einem bestimmten "Ja, aber" klar zu machen, dass sie sich um die Aufgabe nicht direkt riss, aber dass sie für die Festspiele jedes Opfer bringen würde.
    
    "Na klar", hörte Sie sich sagen. Etwas zu cool und souverän, dachte sie. "Äh, also, ich meine... meine erste Wahl wäre das sicher nicht, aber ich hätte jetzt auch kein großes Problem damit!"
    
    Sanne hatte sich vorher wesentlich eloquentere Antworten zurechtgelegt, und in ihrer Phantasie hatte auch nie ihre Stimme gezittert, aber angesichts ihrer Nervosität war sie ganz zufrieden mit ihrer Antwort. Frau Dr. Richter aber offenbar nicht. Sie zog eine Augenbraue hoch und sah zu Sanne auf.
    
    "Susanne. Sie müssen das wirklich nicht tun. Wir wissen, was draußen erzählt wird, aber das ist Unsinn. Sie können das wirklich auch ablehnen. Ich meine, Sie haben doch ausgezeichnete Voraussetzungen! Sind sie ganz sicher, dass ich sie wirklich als Freiwillige eintragen soll?"
    
    Natürlich war Sanne alles andere als sicher. Genaugenommen war sie im Gegenteil ziemlich sicher, dass sie vor Peinlichkeit in den Boden versinken würde, wenn sie für das Jungfrauenspalier eingeteilt werden würde und die ganze Stadt sie so sehen konnte. Die Sache war nämlich die: Die einzigen Mitwirkenden des Weinbacher Kaiserfests, die bezahlt wurden, und zwar gar nicht schlecht, waren zwar die Jungfrauen im Spalier und einige der Akteure in den Tableaux Vivantes, und dafür gab es auch ein Freikartenkontingent wie es sonst nur ein paar ...
    ... Hauptdarstellern zustand, aber der große Nachteil war, dass die Organisatoren des Festivals großen Wert auf historische Genauigkeit legten. Vor allem bei den Kostümen. Und über die Jungfrauen Weinbachs, die den Kaiser im Jahre 1485 vor den Toren der Stadt empfangen hatten, hatte ein zeitgenössischer Beobachter geschrieben, sie seien "fast ganz nackt" gewesen, "nur angethan mit einem sehr dünnen und durchsichtigen Gewande.“
    
    Und die Weinbacher hielten sich sehr penibel an das, was in den Quellen stand. Im besten Fall gab es ein knielanges Kleid aus sehr feiner Gaze, aber es hatte auch schon Jahre gegeben, da waren die Jungfrauen nur mit einer Schärpe "bekleidet" aufgetreten. Und bei den Tableaux vivantes war es noch schlimmer, wenn man da beispielsweise die Aphrodite spielte, dann konnte man absolut sicher sein, dass man ohne einen einzigen Fetzen Stoff am Leib in der Altstadt stehen würde.
    
    Sanne riss sich zusammen. "Doch, bitte tragen Sie mich ein. Wenn es wirklich sein muss, dann mache ich das schon." Sie zwang sich ein Lächeln ab.
    
    Sanne wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich das wäre, sich komplett nackt der ganzen Stadt zu präsentieren. Den festlichen Einzug ließ sich schließlich kaum jemand entgehen, da würde jeder im Publikum stehen, den sie kannte. Alle Verwandten, alle ihre eigenen Freunde und Bekannten und die ihrer Eltern, und ganz bestimmt jeder einzelne Junge aus ihrer Schule. Und natürlich tausende von Handys und Kameras. Und je nachdem, wie die ...
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