Krieg und Liebe: Henschels Rückkehr
Datum: 21.05.2024,
Kategorien:
Romantisch
Autor: JoeMo619
... Briefs mit einer 4-Reichsmark-Germania-Briefmarke registrierte. "Mein Gott, ist Deutschland teuer geworden", war meine spontane Reaktion. Frühere Briefe aus der Heimat hatten in der Regel eine 20-Pfennig-, im schweren Fall eine 40-Pfennig-Briefmarke. Ich drehte den Brief um und las auf der Rückseite den farblos eingepressten Absender: "Karl Henschel, Kassel".
Ich griff zu meinem Brieföffner, schlitzte das Briefkuvert auf und entnahm einen zweiseitigen Brief mit gestochen scharfer Handschrift, dazu lag dem Brief ein maschinengeschriebenes Memorandum bei. Ich war wirklich neugierig geworden, was der weltbekannte Inhaber der Henschel-Werke mir persönlich schrieb. Nach ein paar wohlwollenden Eröffnungsworten kam der Unternehmer auf den Kern seines Anliegens:
"ich habe mich mit Ihrem ehemaligen OAEG-Vorgesetzten, Herrn Direktor Huber, ausgetauscht, der Sie mir als seinen besten Regionaldirektor beschrieben hat. Das hat mein Interesse an Ihrer jetzigen Arbeit in Portugiesisch-Ostafrika noch weiter steigen lassen. Wir, Henschel & Sohn, sind trotz des verlorenen Krieges, wieder zu einem wichtigen Lokomotiv-Lieferanten der Südafrikanischen Eisenbahngesellschaft geworden, eine Position, die wir bereits vor Kriegsausbruch, insbesondere vor dem Burenkrieg inne gehabt hatten. Zudem stehen wir in sehr erfolgversprechenden, umfassenden Liefergesprächen mit der portugiesischen Eisenbahn, die wir in den kommenden Jahren mit neuen Dampflokomotiven grundlegend modernisieren werden. ...
... Hingegen sind wir in den portugiesischen Kolonien, insbesondere in Ostafrika und Westafrika, bis heute praktisch nicht vertreten, obwohl unsere Lokomotiven auch dort einen hervorragenden Ruf haben. Aus diesem Grund trete ich heute mit dem Ansinnen an Sie heran, zusätzlich zu Ihrer Verantwortung als Direktor der Eisenbahngesellschaft in Lumbo die Aufgabe eines Generalrepräsentanten der Henschel & Sohn-Gesellschaft in den afrikanischen Besitzungen der Republik Portugal zu übernehmen. Hierzu füge ich meinem Schreiben ein Memorandum unseres Unternehmens bei, welches auch für Ihre Gesellschafter bestimmt ist und darstellt, welche Vorteile die von Ihnen geführte Gesellschaft aus Ihrer Doppelfunktion ziehen kann.
Lassen Sie mich abschließend noch ein persönliches Wort anfügen: ich kann mir für unseren gemeinsamen Erfolg keine bessere Voraussetzung vorstellen, dass Herr Diplom-Ingenieur Andreas Henschel die Henschel & Sohn-Gesellschaft im südlichen Afrika repräsentiert."
Innerlich überwältigt legte ich den Brief Karl Henschels erst einmal auf meinem Schreibtisch ab, drehte meinen Schreibtischstuhl zu Seite und blickte lange und nachdenklich in die satt-grüne Tropen-Landschaft vor meinem Fenster. Dann nahm ich das Memorandum zur Hand, studierte es eingehend sowie das zweite Schriftstück mit einem eindeutigen Entlohnungssystem für meine mögliche Generalrepräsentantentätigkeit, aus der ich entnehmen konnte, das ich beim erfolgreichen Verkauf von nur zwei Lokomotiven pro Jahr ...