Wenn die Nachtigall erwacht 01
Datum: 26.03.2018,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: by_Faith_
... zahlreichen Exponaten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Miriam fand den großen Raum, der Charles Darwin gewidmet war, trat ein, und schaute sich um. An der gegenüberliegenden Wand war er: „Der Baum der Evolution", ein übergroßes Wandgemälde mit einem stilisierten Baum. Miriam nahm auf einem Podest aus schwarzen Spanplatten in der Mitte des Raums im Schneidersitz Platz und ließ das Bild auf sich wirken.
Bei den ersten Einzellern beginnend, rankte sich der Stamm empor und gabelte sich mehrfach. Sie folgte den Wirbeltieren, den Warmblütern, den Säugetieren und schließlich, auf einem kleinen Ästchen, saßen die Primaten. Homo sapiens war übertrieben groß dargestellt, als wäre er das Oberhaupt dieser Gruppe. Miriam schaute sich im Raum um: Ja, wahrscheinlich war Homo sapiens so etwas wie ein Oberhaupt. Schimpansen stellten ihre Vorfahren zumindest nicht in Glasvitrinen aus. Mit einem erleichterten Seufzen ließ Miriam den Blick zurück zum Gemälde schweifen. ‚Eigentlich kommt man mit ihnen ja ganz gut aus', dachte sie, als sie hinter sich eine Bewegung erahnte.
»Ganz schön blöd«, sagte eine Männerstimme. Sie schaute über ihre Schulter und sah einen jungen Mann in Jeans, T-Shirt und mit liebevoll verstrubbelten Haaren. ‚Hat er mich überhaupt gemeint?', fragte sich Miriam.
»Ganz schön blöd«, wiederholte er, »so ein großes Museum, und dann nur ein Bild in der letzten Ecke.«
Miriam konnte sich ihre schüchterne Ratlosigkeit nicht erklären, ihr fiel einfach keine ...
... sinnvolle Antwort ein. Sie lächelte verlegen. Er nahm, eine Armlänge von ihr entfernt, auf dem Podest Platz.
»Kaffee oder Tee?«, fragte er.
Miriam neigte den Kopf fragend zur Seite und schwieg grinsend, bis er den Kopf drehte und ihren Blick erwiderte.
»Oh, mein Gott!«, sagte er und schluckte sichtbar, »habe ich dich angesprochen?«
»Ja.«
»Ich dachte, ich stehe noch dort hinten an der Säule und denke über einen lockeren Spruch nach.«
»Du dachtest, dass du denkst?«, fragte sie mit leiser Mädchenstimme. »Ja, Mist: ich dachte, dass ich denke ... «, gab er kleinlaut zu und ließ den Kopf gespielt enttäuscht hängen.
»Ist schon o. k.«, sagte Miriam und zeigte an dem Baum der Evolution auf den Zweig der Primaten, »Du gehörst ja rein biologisch zu den denkenden Vertretern deiner Ordnung.«
Sie klang wie ein Schulmädchen bei der mündlichen Prüfung und warf ihrer Aussage ein entschuldigendes Lächeln hinterher - er konnte ja nicht wissen mit wem er es zu tun hatte. Er blickte sie mit heruntergezogenen Augenbrauen und vorgeschobenen Lippen an, zeigte auf sich und sprach mit der rauen Stimme eines Höhlenmenschen: »Ich Sven und du?«
»Miriam«, sagte sie lachend und strich sich die Haare in einer charmanten Geste hinters Ohr. Schweigend blickten Sven und Miriam auf das Gemälde, ohne es zu beachten. Scheue Seitenblicke wichen sich gegenseitig aus. Verlegenes Lächeln, wenn der eine den anderen ertappte.
Miriams Neugier an Sven wuchs durch das, was er nicht tat: sie mit ...