Liebe, Tod und Neuanfang
Datum: 11.12.2018,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Aldebaran66
... und sah sie dabei an. Sie drehte nur kurz ihren Kopf eine Richtung und nickte merklich, dann begann sie mit ihrem tun. Gras schneiden und Rose auswechseln, wie immer.
Auch wenn ich ihr nur kurz ins Gesicht sehen konnte, reichte es mir, das Gesamtbild von ihr zu vervollständigen.
Wie ich vermutet hatte, war sie der südländische Typ. Allerdings schien sie nicht daher zu kommen. Ihr Gesicht war fein geschnitten und wäre als italienisch durchgegangen. Dazu war sie noch relativ jung. Zumindest im Gegensatz zu mir, also zwischen fünfundzwanzig und dreißig. In ihrem Gesicht dominierten ihre beiden großen, schwarz wirkenden Augen, die etwas Trauriges, Melancholisches innehatten. Dazu kam eine kleine, spitze Nase und einem relativ kleinen Mund, dessen schmale Lippen von einem kräftigen, roten Lippenstift hervorgehoben wurde. Er konkurrierte mit den Augen, konnte aber gegen sie nicht gewinnen.
Hatte ich schon von Weitem bemerkt, dass sie klein war, wurde es mir jetzt erst recht bewusst. Viel mehr als einen Meter fünfzig war sie nicht, oder vielleicht noch fünf Zentimeter mehr, doch das hätte ich erst abschätzen können, wenn sie ihre Schuhe ausgezogen hätte.
Als noch ein kleiner Windstoß von ihrer Seite auf meine wehte, kitzelte meine Nase der Duft von einem Parfüm, was sicher nicht zu günstigen zählte. Es war ein alter Duft, das konnte man sofort erkennen. Nicht sportlich wie die Heutigen, Modernen, sondern eher süßlicher, weiblicher.
Zumindest gefiel es mir wesentlich ...
... besser, als vieles was es heute gab.
Bevor sie fertig war, ging ich nach Hause, denn ich hatte keinen Grund mehr länger dort zu bleiben. Alles, was ich jetzt noch getan hätte, wäre als nicht mehr nötig aufgefallen.
Alle Frauen hatte ich bis jetzt mit Silvia vergliche, bei ihr war es nicht anders. Was mir sofort auffiel, war, dass die beiden nichts, wirklich nichts Vergleichbares miteinander hatten. Sie waren grundverschiedene Typen. Damit war meine Neugierde und Analyse beendet. Oder zumindest fast. Denn ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, an den gleichen Tagen, um die gleiche Zeit, auf dem Friedhof zu erscheinen. Es war eine neue Regelmäßigkeit, die ich lieben gelernt hatte. Seit dem Tod von Silvia war ich in immer mehr diesen Regelmäßigkeiten verfallen, um mein Leben in eine geordnete Bahn zu lenken. Es hielt mich davon ab, die Spur zu verlieren. Es brachte mein Leben in Ordnung, zumindest was das Leben an sich betraf.
So kam es, dass ich sie öfter traf. Dabei entwickelte sich eine Art Drehbuch.
Ich war vor ihr da, sagte mein "Guten Tag" wenn sie ankam, sie nickte mir zu, ohne eine erkennbare Regung zu zeigen und begann mit ihrem tun. Dann war ich fertig und verließ den Ort, bevor sie ging. Das ging circa drei Monate lang und wurde zu einem Ritual von mir.
Dann geschah etwas Seltsames. An einem Montag kam sie nicht. Ich war verwirrt und blieb noch eine Stunde länger dort. Trotzdem erschien sie nicht. Auch am Mittwoch und Freitag kam sie nicht. Auch nicht ...