Modenschau
Datum: 16.12.2018,
Kategorien:
Medien,
Autor: Anonym
Rainer stand gelangweilt in der Ecke und nuckelte an seinem Bier. Meine Güte,
wohin hatten sie ihn denn da geschleppt?
Jedenfalls hatte er selten einen derartigen Haufen von eingebildeten Szenegirls
erlebt, wie er sich zur Eröffnung des neuen Modehauses versammelt hatte. Hinzu
kam noch die nicht endenwollende Schar an Models, die an diesem Abend vermutlich
noch den letzten auf Lager befindlichen Textilrest präsentierten. Es kam ihm
jedenfalls schon wie eine Ewigkeit vor, daß hier zu ohrenbetäubender Musik mehr
oder weniger bekleidete Models in ihren High-Heels auf dem provisorischen
Laufsteg herumstaksten. Aber sein Kumpel wollte unbedingt die heiße Verkäuferin
sehen und vielleicht auch angraben und die anderen Jungs aus seiner Clique waren
der festen Überzeugung, daß man bei solchen Veranstaltungen "massenhaft Mädels"
abkriegen könnte.
Er hingegen war zu sehr Realist, als daß er sich ernsthaft ein Date erhoffte -
die Sorte Frau, die hier versammelt war, konnte man wohl eher mit einem Porsche
oder einem gepflegten Bankkonto beeindrucken; und natürlich lagen seine Stärken
eher auf anderen Gebieten.
"Meine Güte, ist das öde... puh!" schnaufte eine junge Frau, die seit wenigen
Augenblicken bei ihm stand. Er zog eine Augenbraue hoch und bemerkte, daß sie
eigentlich inmitten all dieser Schickimicki-Leute ziemlich deplatziert wirkte.
Sie trug schlabberige Jeans und ein schwarzes Trägertop und ihre Rastas hatte
sie ...
... nachlässig zusammengebunden.
"Wurdest du auch von jemand hierherverschleppt?" zwinkerte er ihr zu. -"Nein,
ich bin freie Journalistin." antwortete sie. Aufgrund des Höllenlärms waren sie
nach diesen kurzen Sätzen beinahe heiser und verzichteten daher auf eine weiter
Konversation. Die Journalistin schoß ein paar Fotos. Unter der Jeans lugten ein
paar nackte Zehen hervor und er bemerkte, daß sie nicht wie auf den ersten Blick
Flip-Flops trug, sondern nur ein paar verzierte Bändchen. Außerdem hatte sie
Achselhaare.
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Kerstin legte den Fotoapparat beiseite und kramte in ihrer Umhängetasche. Ihrer
Meinung nach war es nun an der Zeit für ein paar etwas spektakulärere Bilder.
Sie hatte das kleine Reagenzglas gefunden, entkorkte es und packte sich wieder
die Kamera. Dort drüben stand so eine hohle Nuss in ihren High-Heels und begann,
sich auffällig zu kratzen. Verdammt, sie hatte ja an sich selbst dabei nicht
gedacht, auch sie hatte plötzlich regelrechte Beklemmungen.
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Rainer hatte einen weiter Schluck Bier zu sich genommen und kurz auf die Uhr
gesehen, als er bemerkte, daß etwas nicht stimmte. Eine seltsame Art Unruhe
hatte die Gesellschaft erfasst, genauer gesagt nur die Frauen. Die
Hippie-Journalistin fotografierte wie wild, anscheinend hatte auch sie etwas
bemerkt. Die Frau links von ihm sah ziemlich mitgenommen aus, er bemerkte, daß
ihr bis vorhin makelloses Make-Up zerlief, genauer gesagt, es löste sich
geradezu ...