1. Nackt im Theater


    Datum: 16.03.2019, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    Seit ihrer Kindheit schon ist meine Freundin vernarrt ins Theater. Kein Wunder also, dass sie Dauermitglied an der Theater-Gruppe der Schule war. Nun, da sie ihr Abi im Sack hatte, war sie jedoch nicht länger berechtigt, weiter in der Theatergruppe des Gymnasiums zu spielen, und schaute sich deshalb nach einer neuen um. Voller Zuversicht machte sie sich auf die Suche; doch trotz vieler Bewerbungs-Schreiben an die verschiedensten Theater-Gruppen der Stadt erhielt sie eine Absage nach der anderen. "Wir bedauern, Ihnen keinen positiven Bescheid geben zu können. Wir sind zur Zeit personell ausgelastet. Wir wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrer weiteren Suche und verbleiben mit freundlichen Grüssen." Wie oft musste meine Freundin, nachdem sie erwartungsvoll die morgendliche Post durchgegangen war, diese harte Worte nun schon lesen. Schon begann sie sich zu fragen, was sie denn falsch mache, und als sie eines Morgens dem Briefkasten erneut ein Antwortschreiben auf ihre neueste Bewerbung entnahm, konnte ich ihrem Gesicht ablesen, dass sie mittlerweile alles andere als optimistisch war. Wir frühstückten beide am Küchentisch; ich las wie immer die Tages-Zeitung, während meine Freundin missmutig den besagten Brief öffnete. Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie ein Hauch von Verwunderung über ihr Gesicht huschte, und in der nächsten Sekunde war sie auch schon mit einem lauten Schrei aufgesprungen und hüpfte ausser sich vor Begeisterung in der Küche herum. Völlig überrascht warf ...
    ... ich einen Blick auf den besagten Brief, dessen letzte Zeilen mir das ausgelassene Verhalten meiner Freundin erklärten. "Ohne Ihren Gegenbericht erwarten wir sie diesen Samstag Morgen um exakt 10:00 Uhr zu einem Vorstellungsgespräch an unserer Theatergruppe. Wir freuen uns, Sie persönlich kennenlernen zu dürfen. Mit freundlichen Grüssen. Der Direktor".
    
    Angesichts dieser einmaligen Gelegenheit war meine Freundin natürlich nervös, und deshalb entschlossen wir uns, dass ich sie an jenem Tag begleiten würde. Das Theater war eines der kleineren und lebte von jungen Darstellern wie meine Freundin eine war. Wegen seinem Underground-Charakter war es, zumindest unter Theaterliebhabern, trotz seiner geringen Grösse recht bekannt in der Stadt. Meiner Freundin schlug das Herz bis zum Hals als sie um Punkt zehn Uhr die Klingel betätigte. Nach wenigen Sekunden, die ihr wie Minuten vorkommen mussten, öffnete sich endlich die Tür, und vor uns stand ein immer noch jugendlich aussehender Mann, der sich als der Direktor des Theaters vorstellte und uns beide freundlich begrüsste: "Guten Tag! Da sind Sie ja! Wir haben Sie erwartet! Ihren Freund haben sie auch gleich mitgebracht!" "Ist das denn überhaupt in Ordnung?" erkundigte sich meine Freundin. "Das ist kein überhaupt kein Problem. Wir erleben es oft, dass die Partner der Bewerberinnen und Bewerber während deren Casting anwesend sind. Das lindert erfahrungsgemäss in vielen Fällen die Nervosität. Aber treten sie doch ein, wir können gleich ...
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