1. Die Verführung...


    Datum: 01.05.2019, Kategorien: Medien, Autor: Anonym

    ... enttäuscht. Schon wieder einer, der nicht bezahlen würde. Ein letztes verzweifeltes Klopfen an der schweren Eichentür des noblen Hauses, dann ging ich resigniert weiter.
    
    „Hallooo!“ rief mir da jemand hinterher. Es war eine Frauenstimme.
    
    Abrupt blieb ich stehen. Ein Wunder. Ich konnte also doch noch kassieren. Schon wieder besser gelaunt drehte ich mich um.
    
    Eine attraktive Frau im mittleren Alter stand in der Tür, vielleicht zwischen 30 und 35 Jahre alt. Sie hatte einen dünnen Bademantel an.
    
    „Wolltest Du zu mir?“ fragte sie.
    
    „Ja. Ich bin der Zeitungs-Austräger. Vom Kreis-Anzeiger. Ich muß kassieren.“
    
    „Ach so.“ sagte sie. Es klang ein wenig enttäuscht. Was hatte sie denn erwartet?
    
    Ich ging wieder zur Tür.
    
    „Wieviel bekommst Du denn?“ fragte sie.
    
    „Acht Mark Achtzig bitte. Fürs zweite Quartal.“
    
    Ich hatte sie noch nie gesehen. Aber das war auch kein Wunder, denn sie hatte die Zeitung auch erst seit April abonniert. Es war das erste Mal, daß ich hier kassierte.
    
    „Moment. Ich muß erst mal meine Geldbörse finden. Ich komme gerade aus der Badewanne, darum habe ich die Klingel nicht gehört.“
    
    „Ich warte“ meinte ich geduldig. Das passierte öfter. Obwohl viele das Geld auch schon gleich abgezählt bereitliegen hatten.
    
    „Bin gleich wieder da“ flötete sie. Dann verschwand sie ins Wohnzimmer.
    
    Aber noch auf dem Absatz machte sie kehrt.
    
    „Komm doch rein. Du bist ja ganz naß.“
    
    „Ja, es regnet“ meinte ich etwas zynisch.
    
    „Du wirst Dich ...
    ... erkälten.“
    
    Nun stand im also Flur und tropfte vor mich hin. Es würde eine Pfütze geben. Vor ein paar Minuten war zu allem Überfluß noch ein Auto dicht an mir vorbeigefahren und hatte meine Hose naß gespritzt. Heute war wirklich nicht mein Glückstag.
    
    Da schien sich der Mutter-Instinkt in der Frau zu regen. Sie blickte mich von oben bis unten mitleidig an - wie ein Kind, das gerade von der Schaukel gefallen ist und weint.
    
    „Soll ich Dir einen Tee machen? Oder eine heiße Schokolade?“ fragte sie freundlich.
    
    So nett waren die Leute sonst nie zu mir. Die meisten wollten mich einfach nur schnell wieder loswerden. Ich war doch nur der Zeitungs-Austräger. Was sollte ich sagen?
    
    „Na, was? Keine Angst, ich werde Dich nicht vergiften.“
    
    „…jaaa“ begann ich zögerlich.
    
    „Was? Kakao? Mit Sahne?“
    
    „Oh, das, das wäre sehr nett.“
    
    „Gut dann also Kakao. Ich setze gleich die Milch auf. Du kannst schon mal die Jacke ausziehen. Dauert eine Sekunde.“ Und schon wuselte sie in die Küche. Ein leichter Duft von Parfum lag in der Luft. Sie roch sehr angenehm.
    
    Ich zog also die Jacke aus, hängte sie an einen Kleiderhaken und wartete.
    
    Von der Küche kam das Klappern eines Topfes, der auf den Herd gestellt wird. Ein Klacken, schon zündete eine Gasflamme. Dann ging die Kühlschranktür und ich hörte, wie Milch eingeschüttet wurde. Gleich darauf war sie wieder bei mir.
    
    Doch ihr Mutter-Instinkt war noch nicht ausgeschöpft. Sie sah meine tropfende Jacke an, dann auf den Boden, wo sich schon etwas ...
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