1. Urlaub in Frankreich


    Datum: 02.05.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: bygoldsteyn

    Die Wellen liefen hoch auf das Ufer, obwohl es nicht mehr sehr windig war. Aber der gestrige Sturm hatte wohl das Meer aufgewühlt. Andreas schaute aus dem Dachzimmer auf den französischen Strand, der sich leer und endlos unter dem grauen Himmel erstreckte. An der Uferlinie war ein einzelner Punkt zu sehen. Andreas fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen und entschied nach einer Minute, dass er größer wurde: Britta hatte umgedreht und lief zurück zum Haus. Jetzt hatte er noch eine knappe halbe Stunde für seine Vorbereitungen, aber er war fast fertig. Obwohl sein Herz bis zum Hals klopfte spürte er auch eine Beruhigung, denn gerade hatte er sich ausgemalt, dass Britta vielleicht etwas ahnte. Vielleicht hatte er einen winzigen Fehler gemacht, und sie hatte etwas gesehen, oder vielleicht hatte ihr legendäres Gespür ihr einen Wink gegeben.
    
    Wie bei der Sache mit Marlies. Welcher Marlies, was war mit Marlies? Nichts hatte er mit Marlies gehabt, aber Britta hatte Recht, wenn Marlies ihm eine Chance gegeben hätte, hätte er nicht nein zu ihr gesagt. Aber dazu kam es nicht, nicht mehr, nachdem Britta ihn gezwungen hatte, mitten im Semester den Kurs zu verlassen, den er mit Marlies zusammen belegt hatte, und danach ließ sie sich immer die Teilnehmerlisten seiner Seminare zeigen. Er überlegte wie viele Jahre das zurück lag. Lange, sechs, nein sieben Jahre. Danach hatte es nur noch Britta für ihn gegeben, Britta und immer wieder Britta. Die Farbe ihres Trainingsanzugs war jetzt ...
    ... deutlich zu sehen: Blau, das zerstreute seine letzten Zweifel. Der Punkt kam jetzt schnell näher. Mit 33 war Britta auf 10000 m nicht langsamer als mit 23, als er sie kennen gelernt hatte. Er dagegen, na ja, er hatte sich gehalten. Zum Glück neigte er noch nicht zum Haarausfall, und auch sein Bauchansatz war so klein, dass er bei vielen Frauen, wenn auch nicht bei Britta, als süß durchgehen würde. Noch sah er wirklich passabel aus. Er schaute auf den Wecker: Sieben Uhr. Gleich würde Britta zur Haustür hereinkommen, würde in das unten liegende Bad gehen, würde sich duschen, und würde sich dann -- die einzige Schwäche, die sie sich gestattete -- mit einem frischen T-Shirt bekleidet noch einmal für fünf Minuten ins Bett legen. Wären sie in Frankfurt, so würde er sie danach erst gegen zehn Uhr abends wieder sehen, aber dies wäre ein reiner Blickkontakt, denn sie würde sich vor den Fernseher legen, irgendeine Serie einschalten, und zu Andreas sagen dass sie zu müde und zu abgenervt von ihrem Arbeitstag sei um gestört zu werden. Und seine weiteren Gedanken sollte er gleich für sich behalten. Eine halbe Stunde später würde sie ins Bett gehen und sich von ihm wegdrehen, weil sie morgen einen wichtigen Gerichtstermin hätte, oder einen wichtigen Mandantentermin, oder einen wichtigen was-auch-immer Termin. Wie jeden Tag.
    
    Britta lag im Bett, und Andreas lag neben ihr. Sein Herz klopfte bis zum Hals, dabei tat er so als sei er gerade erst aufgewacht. Sie lag sicher schon drei Minuten. Er ...
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