1. Der Sommer meines Lebens - Teil 1


    Datum: 28.05.2019, Kategorien: Schlampen, Autor: Frohsefrohse

    Schon das ganze Jahr hatte ich mich auf den heißen Partysommer mit meinen Freunden gefreut. All die Festivals, peinlichen Saufgeschichten, tiefgründigen Gespräche am Küchentisch und die vielen neuen Menschen, die ich so gerne kennengelernt hätte - alles und alle würden mir entgehen. Während meine Freunde ihr Leben feierten, würde ich in einer fremden Stadt, genauer gesagt in einem literarischen Archiv hocken, um das Werk einer längst vergessenen Autorin dem kollektiven Vergessen zu entreißen. Ihr gesamter Nachlass wartete auf mich. Diese Aufgabe war zwar sehr reizvoll und es freute mich auch sehr, dass die Stiftung mir sogar die Unterkunft sponsorte. Doch es war nicht das erste Mal, dass ich in einem Archiv sitzen würde, jeden Tag, viele Stunden lang, insgesamt drei volle Wochen. Die Vorstellung, dass in dieser Zeit eine seit gut zwei Jahrzehnten verstorbene Schriftstellerin meine einzige Freundin wäre, ließ mich erschaudern. Auch meine Freundin Rosi war fast den Tränen nahe, als ich ihr meine Archiv-Pläne offenbarte. "Ganz allein in der fremden Stadt mit so einem Papierberg zu ringen, das stelle ich mir ziemlich schwierig vor", sagte sie mit leiser, fast schon trauriger Stimme. Sie würde mir fehlen, genauso wie ich ihr. Ich vermisste Rosi bereits, als sie mir noch gegenüber saß.
    
    Rosi verstand mich in jeder Hinsicht, doch irgendwie hatte ich auch die Sehnsucht nach einer bestärkenden Stimme. Nach jemandem, der auch das Gute in diesen drei Wochen sehen und mir Mut ...
    ... zusprechen konnte. Da gab es keinen Besseren als meinen Bruder Jack. Jack war ein wahrer Lebemann und erotischer Freibeuter, wie er im Buche steht, der charmante Schrecken einer jeden Schwiegermutter. Das zumindest waren die Worte, mit denen er sich gerne selbst beschrieb. Dass hinter diesen Wort mehr als bloße Wunschvorstellungen steckten, konnte ich kaum übersehen, wenn ich ihm einmal irgendwo über den Weg lief. Fast nie war er ohne weibliche Begleitung anzutreffen, und fast nie wusste ich den Namen der jeweils neuesten Eroberung. Mit Literatur hatte er nichts am Hut. Stundenlang in staubigen Akten zu wühlen, hätte ihn wahnsinnig gemacht. Erst viel später verstand ich, warum ich mir gerade bei ihm Rat holen wollte. Frauen wie Rosi hätten meinen Bruder nicht einmal mit der Kneifzange angefasst. "Mit solchen Möchtegern-Casanovas kannst du mich jagen", pflegte sie immer zu sagen. Wir lachten oft über die Prachtexemplare männlicher Selbstüberschätzung, von denen es in unserem Leben wahrlich nicht wenige gab. Die Wahrheit war jedoch, dass ich meinen Bruder insgeheim bewunderte, und zwar genau für jenes Freibeutertum, das Rosi an ihm so sehr abstieß. War er denn wirklich ein rücksichtsloses Arschloch oder einfach nur ehrlicher als die meisten anderen Männer?
    
    "Ich kann gar nicht verstehen, warum du so eine Schnute ziehst. Hast du eigentlich schon mal in den Spiegel geschaut? Denkst du wirklich, dass eine junge Frau wie du keine anderen Möglichkeiten hat, als drei Wochen lang an nackte ...
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