1. Ein Leben in Bedrangnis 08


    Datum: 25.06.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byachterlaub

    ... prägte jede freie Sekunde.
    
    Immer war ich auf der Suche nach Gemeinschaft, die mir allenfalls für Stunden geschenkt wurde und die meist im banalen körperlichen Intimkontakt endete. Mir fehlte so der rote Faden, der Wegweiser durch mein Leben, vorbei an den Trivialitäten des Alltags. Aber ich fügte dem noch dreistere Lügen hinzu.
    
    Seit einiger Zeit bin ich mit einer jungen Frau verbandelt. Wir verstehen uns blendend. Ich hoffe du wirst auch bald wieder eine glückliche Beziehung eingehen können.
    
    Dein Denis
    
    Als ich die letzten Sätze noch einmal las, lief es mir schaurig über den Rücken. Natürlich wollte ich keinesfalls, dass da ein anderer Mann in Nadines Leben tritt. Das hätte mir ein ungutes Gefühl bereitet. Eigentlich wäre am Liebsten sie die „glückliche Beziehung" gewesen. Aber das konnte ich doch keinesfalls eingestehen.
    
    Wieder fand ich mich in diesem schrecklichen innerlichen Beziehungswirrwarr, den zu beenden ich vor geraumer Zeit beschlossen hatte. Es war wie schon in der Vergangenheit: Sobald Nadine in mein Leben trat -- da genügte ein Telefonanruf oder ein Brief -- war mein geradliniges Denken schwer auf die Probe gestellt.
    
    Der Brief musste Nadine schon erreicht haben, da erwachte ich eines Morgens schweiß gebadet. Ich hatte einen Traum gehabt. Zunächst war ich orientierungslos. Ich wusste, da war etwas, was mich sehr berührt hatte. Aber was es genau war, dessen konnte ich mich nicht entsinnen.
    
    Schon beim morgendlichen Rasieren überlegte ich ...
    ... fieberhaft, was der Inhalt meiner nächtlichen Erlebnisse gewesen sein könnte. Irgendwie kam es mir vor, ich sei kurz vor einem mächtigen Samenerguss aufgewacht. Beinahe ein feuchter Traum, dachte ich bei mir. Aber nur allmählich kamen Bruchstücke aus dem Innersten hervor.
    
    So ähnlich muss es einem an Amnesie Leidenden ergehen. Es tauchen Bruchstücke auf, die aber teilweise wieder verloren gehen, weil der Zusammenhang fehlt. So ganz allmählich fügt sich alles zu einem mehr oder weniger zusammenhängen Bild. Manches muss durch logische Kombination ergänzt werden. Manches aber bleibt auch nach Stunden langen Marterungen des Gehirns im Nebel verborgen. Dieser Traum hatte mich so bewegt, dass ich über die Morgenstunden unentwegt grübelte, bis sich mir in etwa folgende Abläufe aufhellten.
    
    Es ist eine undefinierbare Jahreszeit. Ich laufe mit klappernden Schritten über das Kopfsteinpflaster einer alten deutschen Stadt mit vielen Fachwerkhäusern. Es mag Rothenburg ob der Tauber sein, Wittenberg oder Wolfenbüttel. So genau kann ich mich ohnehin nicht mehr an die nur kurzfristigen Besuche erinnern.
    
    Dann biege ich in eine lange, scheinbar ins Unendliche führende Straße ein. Alles ist grau, einzelne Dunstschwaden wischen durch das Bild. Nur ab und zu huscht ein Lichtschatten über die Szenerie und ändert geringfügig die Farbkomposition. Nun verdickt sich der Nebel. Ich stiere in das endlose Grau.
    
    Irgendwo in der Ferne bewegen sich Gestalten. Sie springen kurz vor, und dann ebenso flink ...
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