1. Mittwochnachmittag


    Datum: 04.08.2019, Kategorien: Hausfrauen Autor: bydie_sense

    ... hält. In unserer Auffahrt. Woher weiß der Typ...? Ich kann es nicht länger hinauszögern. Ich muss ihn ansehen. Das ist das Problem bei jeder Verzögerungstaktik. Am Ende muss man doch tun, wovor man sich zu drücken sucht. Er sieht mich an. Unsicher? Hat er mir in die Bluse gestarrt? Im Reflex lege ich den Arm vor die Brust. Dort wo der Knopf abgerissen ist. Bin ich empört? Eigentlich nicht. „Wir sind da.". Aha, das Offensichtliche ausgesprochen. Und jetzt? Er steigt aus, hebt mit erschreckender Leichtigkeit mein Fahrrad von der Ladefläche und lehnt es mitsamt verbogenem Lenker und dem Achter im Hinterrad an die Hauswand. Meinen Einkaufskorb stellt er auf den Gepäckträger. Liebe zum Detail. Ich unterdrücke ein Grinsen. Ruhig bleiben. Er kommt zur Beifahrertür, öffnet sie und bietet mir seine Hand zum Aussteigen an. Ich ignoriere ihn, rutsche vom Sitz herunter in unsere Hofeinfahrt und... es wird schwarz vor meinen Augen. Als ich wieder klar werde, liegt mein Kopf an seiner Brust. Hart. Der Typ ist groß. Ich atme schwer. Einatmen, ausatmen. Seine Hände stützen mich an beiden Ellenbogen. Ok, ich akzeptiere die Hilfe. „Wir sollten rein gehen."
    
    Wie lange war ich weg? Wo sind die Kinder? „Bin wieder da!", rufe ich und lausche auf Antwort. Es murmelt aus den Zimmern. Alle da und offensichtlich beschäftig. Ich nehme meine Hand von seinem Arm -- ohne mich zu bedanken -- und teste kurz, ob ich wieder stabil bin. Gut. Führe ihn in die Küche. Zeige auf einen Stuhl. „Etwas zu trinken?". ...
    ... Er nickt. Mit einer knappen Kopfbewegung weise ich ihn in Richtung Kühlschrank. Ha! Alles unter Kontrolle. „Bin kurz oben, mich frisch machen." Er sieht mich an - dunkle Augen - und nickt. Er sagt nichts. Hat überhaupt nicht viel gesagt, fällt mir auf.
    
    Auf dem Weg ins Bad stecke ich den Kopf in die Zimmer unserer Kinder.
    
    Das hätte ich mir sparen können. Keinem Kind, weder dem hinter dem Computer (Überraschung!), noch dem hinter dem fünften Harry-Potter-Band, geschweige denn dem, das sich tief in die großen Legokiste gewühlt hat, fällt auf, dass ich viel zu früh zurück bin und dabei ganz schön zerzaust aussehe. Alles wie immer also. Man muss sie lieb haben.
    
    Ich schließe die Badezimmertür hinter mir. Lehne mich kurz dagegen und hole tief Luft. Die Augen geschlossen. Was für ein Tag. Puh! Ich löse mich und mache die vier Schritte zum Waschbecken. Erst stütze ich mich ab. Mit beiden Händen. Dann schaue ich in den Spiegel. Und sehe mir selbst direkt in die Augen. Übel. Ich sehe die Schramme über meinem Auge kaum, auch nicht das Gras, das sich in meinem Haar verfangen hat. Ich sehe nur die Verzweiflung. Ich schaue in mich hinein durch den Spiegel und weiß in diesem Moment, dass ich nicht aufhören werde. Nicht aufhören kann. Damit. Ich ziehe die Bluse aus und den BH. Weiß, sportlich, unerotisch. Brrr. Das Wasser ist kalt im Gesicht. Aber gut! Wie lange schaue ich mich schon selbst an? Mein Blick ist auf meinem Busen. Auf der Gänsehaut, die das kalte Wasser -- sicher ist es ...
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