1. Jacky Teil I und II - Leander


    Datum: 16.11.2019, Kategorien: Schamsituation Autor: Anonym

    Jacky
    
    oder: Die Stimme
    
    Ein Tag wie jeder andere sollte zu Ende gehen. Ihr Kopf war voll, der Papierkram noch nicht erledigt, aber es ging irgendwie. Manchmal war die Lust groß, einfach alles hinzuwerfen und laut zu schreien:
    
    „Da rackert man sich ab und keiner dankt es einem!“
    
    Manchmal war er aber doch da, dieser Stolz auch solche Tage „besiegen“ zu können. Mal sehen, wie es heute enden würde.
    
    Jacky arbeitete in der Buchhaltung eines größeren Energiekonzerns. Die Kollegen und Kolleginnen würden wohl sagen: “Jacky - ein Chef zum verrückt werden.“
    
    Andere sagten, dass sie gut - aber streng - aussehen würde, mit ihren kastanienbraunen kurzen Haaren, der Brille und den kleinen Ohren.
    
    Als Teamleitung war es Jackies Aufgabe einen „Haufen“ von 25 Mitarbeitern zu führen und dafür zu sorgen, dass sämtliche Abrechnungen des Konzerns fehlerfrei ausgeführt wurden. Ein Job der ihr viel Verantwortung und Entscheidungswillen abverlangte, aber auch ein „breites Kreuz“ voraussetzte. Beliebt war die Buchhaltung nicht, eher berüchtigt, dass jeder Fehler spätestens bei Jacky entdeckt wurde.
    
    Sie war ein korrekter Mensch.
    
    Jacky gefiel sich in dieser Rolle, meistens zumindest. Nur manchmal dachte sie, wäre es schön eine Schulter zum Anlehnen und Ausruhen zu haben.
    
    Im Moment herrschte im Großraumbüro noch reges Treiben - laute Gespräche, Telefone, raschelndes Papier. Jacky war auf dem Weg zum Büro des Geschäftsführers, einen langen, mit braunem Teppich belegten Flur ...
    ... entlang. Ihr Weg wurde immer wieder unterbrochen von Kübeln mit großen Pflanzen, die wahllos in den Gang ragten - kein angenehmer Weg. Meistens war keine Zeit die wirklich wichtigen Dinge zu besprechen. Den Geschäftsführer interessierte nur, wer welche Fehler gemacht hatte und wo die Gelder des letzten Quartals geblieben waren.
    
    Sie war schon auf dem Flur gedanklich im Büro des Geschäftsführers, als sich eine kräftige männliche Stimme von hinten näherte:
    
    „Jacky Müller?“
    
    Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen. Sie kannte diese starke, beherrschende Stimme. Spürbar kamen Schritte näher - unaufgeregt, aber bestimmt.
    
    Sie wurde unwillkürlich schneller…
    
    Die Stimme erreichte sie. Sein Atem war gleichmäßig, sie spürte seine Hand sanft auf ihrem Rücken.
    
    Sie drehte sich abrupt um. Sie war in die falsche Richtung gelaufen, auf die Stimme zu, die sie offensichtlich wie ein Magnet angezogen hatte.
    
    Rums! Jacky verlor das Gleichgewicht, torkelte und fiel zu Boden:
    
    „Scheiß Pflanzkübel!“,
    
    entfuhr es ihr. Sein kräftiger Arm bot ihr Halt. Als Jacky sich aufgerappelt hatte, sah sie dem offensichtlich fremden Mann direkt in die Augen.
    
    „Guten Tag Frau Müller, ich habe ja schon viel von Ihnen gehört,
    
    aber dass wir uns so schnell und so unmittelbar begegnen, hätte ich nicht erwartet.“
    
    Seine Stimme füllte sie aus bis in den letzten Winkel ihres Körpers.
    
    Ein offensichtlich Unbekannter, dessen Stimme sie kannte? Jacky war verwirrt.
    
    „Ich heiße Jan Brandstätter und bin ...
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