Ein Leben in Bedrangnis Neubeginn 07
Datum: 26.11.2019,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byachterlaub
Gundula
Ich freute mich die ganze Woche über auf den Besuch von Gundula. Das war ein echtes Glückgefühl, das von den Ereignissen des vorigen Wochenendes unberührt blieb. Schließlich war Elisabeth so etwas wie Familie.
Außenstehende wie Gundula würden eine lange Zeit brauchen, um eine ähnlich innige Beziehung zu mir herstellen zu können. Aber gleichwohl fühlte ich mich zu dieser Frau in einer besonderen Art hingezogen. Das konnte kaum an der äußerlichen Attraktivität liegen. Denn diesbezüglich war sie eher unscheinbar. Aber sie verströmte etwas, was sie mir ungemein vertraut erscheinen ließ.
Ich hatte seit langem erstmals das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, mit dem ich mehr als das Bett teilen konnte. Gundula war belesen und interessiert an so vielem. Sie verstand es Nähe zu schaffen und mich nicht gleichzeitig völlig zu vereinnahmen. In dieser Beziehung stellte sie durchaus das Gegenteil zu Nadine dar, die immer etwas Herrisches und Unberechenbares an sich hatte.
Bislang allerdings war dies nur ein Gefühl, das durch intensiveren Kontakt in der Wirklichkeit erprobt werden musste. Denn allzu oft hatte ich in der Vergangenheit die Hoffnung auf eine erfüllende Partnerschaft gehabt, was sich dann allerdings bereits nach kurzer Zeit als Fehleinschätzung herausstellte. So fieberte ich dem ersten Treffen in heimischer Umgebung entgegen.
Gundulas Erscheinungsbild an jenem Wochenende war passend. Sie hatte sich nicht besonders gestylt, sondern war in durchaus ...
... leger zu bezeichnender Kleidung erschienen. Rock und Bluse passen immer. Sie war wohl noch zuvor beim Friseur. Denn ihre Haare schienen frisch gefärbt.
Der kleine Blumenstrauß für Elisabeth (der im übrigen trefflich die inzwischen verwelkten Blümchen der Vorwoche ersetzte) und eine Tafel Schokolade für meine Tochter waren angemessene Mitbringsel. Als ich Gundula meinen Lieben vorstellte, hatte ich auch nicht das Gefühl, sie fände die Situation unpassend. Schließlich musste sie sich aus meiner Sicht damit abfinden, dass so etwas wie Familie bereits vorhanden war, dass sie es nicht mit einem alleinstehenden Herren mittleren Alters zu tun haben werde.
Die beiden Frau verstanden sich von Anbeginn trefflich. Zuweilen hatte ich sogar den Eindruck, gar nicht am Gespräch teilnehmen zu dürfen. Dies mag damit zusammengehangen haben, dass beide als Lehrerinnen tätig waren bzw. sind. Letztlich denke ich aber, dass da zwischen den beiden eine gewissen Sympathie war, die eher auf ähnliche Denkweisen zurückzuführen war.
So begegnete Elisabeth meinem Besuch mit dem sicher nicht ganz passenden Bemerken: „Ihre Kleidung lässt erkennen, dass Sie sich ihren Schülern nicht bedingungslos anpassen wollen." Darauf entgegnete Gundula: „Danke, das sehen Sie richtig. Ich lasse mir doch meine Unabhängigkeit nicht nehmen."
So richtig ausgelassen wurde die Stimmung dann, als Elisabeth ihr nach dem Kaffeetisch ihre Räumlichkeiten zeigte. Gundula stürzte geradezu auf das Klavier, das seit Jahren im ...