Geschichten, die das Leben Schreibt 01
Datum: 19.01.2020,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byNimmermehr
... tust mir so weh, ich glaub es kaum
Dich zu bekommen, das ist mein Traum
Ein Traum ist nicht wahr, das seh´ ich wohl ein
Doch vielleicht, nur vielleicht, wird es einmal so sein."
Ich las mir das Gedicht gleich mehrfach durch. Soviel Schmerz und Enttäuschung und dennoch Hoffen und Erdulden.
Zutiefst berührt blätterte ich weiter.
Die nächsten drei Bilder waren Bleistiftzeichnungen und nicht untertitelt. Das war auch nicht notwendig. Es handelte sich auf der einen Seite um einen Ausschnitt von einem alten Sessel aus dem Empire. Besonders gut herausgearbeitet war der Löwenfuß und an der Lehne der Löwenkopf mit fein stilisierter Mähne.
Die zweite Seite zeigte einen Ausschnitt von einem alten Kabinettschrank aus der Gründerzeit. Hier war das Augenmerk auf das Farbspiel der unterschiedlichen Holzmaserungen, deren Verlauf und die gedrechselten Säulen gelegt.
Das dritte Bild stammte wohl aus einem Schloss oder einer Burg. Es zeigte eine alte gewundene Holztreppe mit Handlauf aus dem Rokoko. Verspielt, sowohl die Intarsien (Einlegearbeiten), wie auch die ganzen Korkaden und Pütten wiedergebend. Und dennoch war die Treppe so naturalistisch gezeichnet, dass die Zeichnung jeden Makel aufzeigte und wiedergab. Vergangene Pracht!
Jetzt war auch mein berufliches Interesse geweckt. Wenn der Junge jetzt auch noch das Potential zu einem halbwegs guten Handwerker hätte, könnte ich ihn wirklich gut gebrauchen. Im Zuge von Restaurationen müssen sehr viele Bilder ...
... angefertigt werden. Wie sieht etwas aus und wie wird es künftig aussehen. Ein konkretes Beispiel an Hand der Treppe -- wir arbeiteten gerade unter anderem am Gießener Stadtschloss und meine Angestellten waren gerade dabei, eine Betontreppe aus den 50iger Jahren zu beseitigen, die so gar nicht an die frühe Gründerzeit erinnern wollte und somit bislang auch wie ein Fremdkörper aus dem Ensemble herausstach. Es gibt gute Architektur- und Zeichenprogramme. Doch die sind eher für moderne Baustile mit klaren Linien und Kantenführungen geeignet. Barock beispielsweise, bedeutet immer Handzeichnung. Und hier war ein Mensch, der nicht nur perspektivisch und proportionsgerecht zu zeichnen verstand. Nein, die Zeichnungen hatten ein Eigenleben und das ist für Ausschreibungen oder Bauherren immer ein wichtiges Pfund. Wir vom Fach wissen sehr genau, wie es später aussehen muss und wird. Ein Bauherr braucht aber immer ein „greifbares" Bild.
Ich blätterte eine Seite weiter. Ein sehr beeindruckendes dreifarbiges Bild. Die linke Kopfhälfte zeigte den Jungen von eben auch wieder als Rötelzeichnung, der Mund zu einem Lachen geöffnet, Zunge, Zähne Mundhöhle auf das Detaillierteste gezeichnet. Die rechte Kopfhälfte war mit einem dunklen Gelbstift gezeichnet; der Kopf ging von Rot zu Gelb über, die Formen wurden weicher und das Jungengesicht lief in ein sehr hübsches Gesicht einer langhaarigen, sympathisch wirkenden Blondine über.
Am Halsansatz flossen die roten und dunkelgelben Farbtöne in eine schwarze ...