Ein Leben in Bedrangnis Neubeginn 05
Datum: 28.01.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byachterlaub
Rückblende
Nach der Trennung von Ella beschäftigte ich mich in Gedanken immer wieder mit meiner Vergangenheit. Wunderbar und im gleißenden Sonnenlicht kamen mir zunächst die Jahre mit Nadine vor. Andererseits war mir bewusst, dass ich von diesem Lebensabschnitt eigentlich nur wenige Wochen unbeschwert erlebt hatte. Es wäre dringend nötig, diesen Teil meiner Vergangenheit aufzuarbeiten, um endlich die zerstörerische Zerrissenheit los zu werden.
So nahm ich nach Jahren wieder Kontakt mit Binh auf. Sie war mit ihrem Mann in ein kleines Einfamilienhaus umgezogen, hatte ihre Telefonnummer aber mitnehmen können.
Von Nadines plötzlichem Tod hatte sie gehört. Was sie mir ein wenig übel nahm -- das sagte sie durchaus mit diesen Worten -- war weniger, dass ich sie nicht zur Beerdigung eingeladen hatte. „Dafür habe ich volles Verständnis. In dieser Situation, und dann auch noch mit der Verantwortung für ein Neugeborenes", sprach sie. „Aber danach, irgendwann danach hättest du dich doch melden können. Ich dachte, du wolltest alle Brücken abbrechen und habe deshalb selbst keinen Kontakt mehr gesucht", fügte sie danach in ihrer typischen Art hinzu.
Aber die Freude über meinen Anruf überdeckte dann bald die etwas getrübte Stimmung zu Beginn des Telefonats. Binh erzählte, dass sie selbst Mutter eines kleinen Sohnes sei. Die Geschäfte ihres Mannes liefen prächtig. Er sei zwar öfter in Vietnam, aber das Familienleben leide darunter nicht zu sehr. Sie sei immer noch so glücklich wie ...
... ich sie an ihrem Hochzeitstag erlebt hatte.
Bestimmt zwei Stunden haben wir uns über das Leben der letzten drei Jahre ausgetauscht. Es war herrlich, mal wieder mit Freunden aus der Vergangenheit plaudern zu können. Mir fehlte das sehr. Aber zunächst schwebte über all unserer Wiedersehnsfreude der Schatten einer nicht immer glücklichen fernen Zeit.
So wechselte unser Gespräch unentwegt zwischen durchaus betrüblichen Erinnerungen und einer insgesamt erfreulichen Gegenwart. Aber auch die blieb letztlich beschränkt auf die Erlebnisse mit unseren Kindern. Nadine und ihre doch oft verletzende, wenig einfühlsame Art, die sich bis zur Bosheit steigern konnte, wurde Satz für Satz verdrängt, bis sie nur schemenhaft als Mutter der kleinen Elisabeth verblieb.
Im Nachhinein denke ich, dass wir beide damit das Kapitel Nadine abgeschlossen haben. Sie sollte uns fortan nur noch im positiven Sinne als Mutter einer kleinen Tochter im Gedächtnis verhaften bleiben. All die Trübnisse und Unannehmlichkeiten, die sie uns bereitete, sollten gleichsam mit dem Ende jenes Tages begraben sein.
Damit aber, das stellte ich mit zunehmender Zeitdauer fest, verlor sich in gewisser Weise das, was uns miteinander verbunden hat. Dies war die Binh der Vergangenheit. Es blieb letztlich nur ein sexuelles Abenteuer, das uns für eine kurze Zeit aneinander gefesselt hatte.
Wie viel mehr Gemeinsamkeiten waren da zwischen Nadine und mir, wenn ich nur an die Theater- und Konzertbesuche dachte. Schon bald ...