1. Ein Leben in Bedrangnis Neubeginn 05


    Datum: 28.01.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byachterlaub

    ... nach dem Aufstehen am nächsten Morgen war mir bewusst, dass ich eigentlich kaum eine gemeinsame Basis mit Binh hatte als die vergangene Zeit.
    
    Das reichte kaum. Und so verabschiedete ich mich bald, allerdings nicht ohne das Versprechen abgegeben haben, sie gelegentlich anzurufen. Natürlich habe ich sie zu uns eingeladen. Aber ich erkannte schon, dass es ihr wohl ähnlich ergeht, dass ich wohl kaum damit rechnen müsste, sie bei mir zu sehen.
    
    Ich war mit dem Zug gereist. Diese Art der Beförderung hat den Vorteil, dass man vor sich hindösen, sich nur seinen Gedanken hingeben kann. Es sind Augenblicke ohne Verantwortung. Natürlich nimmt man seine Lieben mit. Aber sie sitzen nicht auf dem Nebensitz, sie quengeln nicht und sie melden keinerlei Bedürfnisse an.
    
    Wenn einem danach ist, kann man sie vor dem inneren Auge verschwinden lassen. Dann kommt die Zeit, sich der Umgebung zu widmen. Wie wunderbar die Natur doch die Wolkenformationen dahinziehen lässt, durchfährt es mich in einem Moment. Sie schaffen unentwegt neue Bilder.
    
    Mal ist es eine Gruppe von Schafen mit Hund und Schäfer. Dann wieder meine ich mächtige Berge mit schneebedeckten Wipfeln zu erkennen. Und wenn eine größere Lücke zwischen den Wolken aufgerissen ist und die Sonne ihre heißen Strahlen direkt auf die Netzhaut wirft, verschwimmt die Gegenwart in einem geradezu irrisierenden Weiß.
    
    Während ich noch in diese Gedanken versunken bin, höre ich die Türe des Abteils zuschlagen. Ein junges Mädchen war wohl auf ...
    ... der Suche nach einem freien Platz oder nach einer Freundin. Jedenfalls prägte sich mir diese Gestalt sogleich ein. Es war nicht ihr Angesicht. Das hatte ich außer langen blonden Haaren gar nicht wahrgenommen.
    
    Es waren ihre ungewöhnlich weiblichen Formen, die ich bei einer vielleicht gerade Volljährigen so noch nie bewusst beobachtet hatte. Deshalb verließ ich das Abteil, auch um mir nach einer Stunde Fahrzeit ein wenig die Beine zu vertreten. Schon im Nebenabteil wurde ich fündig.
    
    Dort saßen sechs junge Mädchen. Auch die folgenden Abteile waren bestückt mit heranwachsenden Frauen. Es handelte sich offenbar um die Klasse einer Mädchenschule, die zusammen mit ihren Lehrerinnen einen Ausflug unternahmen. Denn in dem letzten Abteil saßen zwei Damen von Mitte vierzig, die sich angeregt mit ihren Mitfahrerinnen unterhielten.
    
    Obwohl ich nur einen kurzen Blick auf die Mädchen geworfen hatte, die fast meine Kinder hätten sein könnten, stellte ich zum ersten Mal eine große Veränderung im äußerlichen Erscheinungsbild fest.
    
    Junge Frauen meiner Generation wirkten in diesem Altersabschnitt lange nicht so weiblich wie diese. Durch die Bank wölbten massige, feste Brüste die T-Shirts und Blusen aus. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass alle von ihnen bereits den Schönheitschirurgen besucht hatten. Da mag die Ernährung einen maßgeblichen Anteil daran gehabt haben, dass junge Frauen heute so üppig bestückt sind, durchfährt es mich.
    
    Sie haben das Jugendlich-Dürre verloren, das mir ...
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