1. Unter ihrer Uniform


    Datum: 20.02.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen

    ... eine ganze Stunde, bevor er sich traute, Johannas Nummer in das digitale Tastenfeld seines Handys zu tippen.
    
    Es tutete. Vielversprechend. Eine ganze Weile, doch plötzlich schnarrte der Besetzt-Ton ungleich lärmender durch die Muschel. Etwas perplex wiederholte er den Anruf -- diesmal tutete es nur ein einziges Mal, bevor er erneut versetzt wurde. Sie hatte ihn weggedrückt!
    
    Vielleicht mutete er ihr zu viel zu. Immerhin war er ja noch ihr Boss. Ein Boss, der ihre Pheromone noch aus einem Hundenapf schlecken würde, wenn sie es von ihm verlangte.
    
    Gefühlte zwei Stunden lang beschäftigte Wessels sich nur damit, Orangensaftschorle in verschiedenen Konzentrationen zu mischen und in langsamem Nippen auf dem Sofa neben der Einbauküche zu trinken. Bis auf einmal das Telefon klingelte. Festnetz. Wie angestochen sprang er auf; Wenn das Johanna wäre! Er hechtete zum Telefontischchen (wohin auch mit dem ganzen Platz?) und riss den Hörer aus der Ladestation. Aber die Stimme war zu tief und zu rau, außerdem brummte sie gegen zu viel Lärm, um Johanna zuzugehören.
    
    »Wessels? Ich bin in Hannover, wegen der Demo, ich glaub Sie hätten das abgezeichnet!«
    
    Jörg. Hatte er? Nein. Das musste Paneolus über ihren Schreibtisch gezogen haben, natürlich ohne ihn zu benachrichtigen -- olle Arschkrampe; weder er noch sie schien sich anzugewöhnen wollen, mit einem konkurrierenden Kommissar zusammenzuarbeiten. Natürlich musste Jörg sich wundern, dass er ihn anrief, wenn er ihn doch zumindest ...
    ... offiziell selbst dorthin entsendet hatte. Knapp verabschiedete er seine einzige Chance auf übliche Wochenendbeschäftigung. Und dann -- tja. Dann fuhr er eben ins Büro.
    
    Das kalkweiße Gebäude kam ihm heute noch verwinkelter vor als sonst. Vielleicht lag es daran, dass man schon beim Eintreten in den halboffenen Innenhof wie mit einer kühlen Welle fühlte, dass es leer war. Der ganze Hof war bedeckt mit losen Blättern -- einem letzten Überbleibsel des Herbstes, der nun in den Nachtfrösten schon gegen sein matschgraues Ende strebte. Kurz tigerte Wessels noch vor der doppelflügligen Glastür herum, dann ließ er seine Schlüssel überlaut durch den Innenhof klimpern und trat ein. Vorbei an Frau Backs verwaister Rezeption und noch rechtzeitig den Aufgang zu den Büros nehmend, bevor der Gang zu den Duschen hinabführte.
    
    Brrr
    
    .
    
    Das Großraumbüro stand leer, nicht einmal das sonst allgegenwärtig quellose elektrische Summen war zu hören und Wessels beließ es auch beim fahlen Tageslicht, als er die Lichtschalter passierte und all die Neonröhren hängend unter ihrem Drahtgespinst. Die meisten Schreibtische waren zum Wochenende aufgeräumt worden, meistens verbrachten die Kollegen die letzten Stunden des Freitags nur noch damit, in müder Erwartung des Wochenendes jedes Papierknüllchen in den zugehörigen Korb zu schnipsen. Da Wessels ein gläsern von den anderen abgestecktes Büro sein eigen nennen durfte, hatte er das nicht nötig; Und nebenbei diesen Freitag auch einfach zu viel zu tun gehabt. ...
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