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Weeslower Chroniken - Teil V - 2007 - Kapitel 3 - Mila und Julia - Nackte Tage in Weeslow
Datum: 19.04.2020, Kategorien: Kunst, Autor: nudin
... Weeslower See sehr viel größer, sonniger, vielseitiger war. Nur gab es immer noch einige wenige Textiler, die wild entschlossen waren, ihr altes Mühlensee-Bad gegen die, wie sie fanden, zunehmende Invasion der Nackten und gegen die Schließung und damit den eigenen Umzug an den Weeslower See zu verteidigen. Dieses Bad sollte endlich ihr textiler Rückzugsort werden. Dagegen stand nur erstens, dass es einfach nicht mehr rentabel war, und zweitens, dass es hier eine lange Tradition des Nebeneinanders von Textilern und Nackten gab, die man nicht einfach wegreden konnte. Denn tatsächlich gab es schon seit Mitte der Siebziger Jahre eine Nacktbadewiese in diesem Bad – die diese nur immer seltener nutzten. Es war also noch nie die Heilige Stätte der Textilbadenden gewesen, wie diese es nun allen weismachen wollten. Denen sollte der Artikel, der morgen erscheinen würde, zeigen, dass sie ihren Kampf allmählich verloren hatten. „Aber das Bad ist doch wirklich schön. Es wäre doch schade, es zu schließen.“ fand Julia. „Ja, aber alle Einrichtungen – die Umkleiden, die Duschen, der Steg, selbst die Treppe zum See – alles ist baufällig. Sogar die Bäume sind morsch.“ „Was wird dann da draus?“ „Dreyer möchte, dass das alles abgetragen wird und es einfach ein Teil des Parks hier wird – mit einer Liegewiese und einem Zugang zum See als Badestelle, nur ohne jegliche Infrastruktur. Vielleicht wird der Steg erneuert, mehr aber nicht.“ „Klingt gut“, fand Mila, „aber was haben die ...
... Leute dagegen, also die, die das Bad erhalten wollen?“ „Es ist dann offen zugänglich. Und da könnten dann Nackte wie Textiler kommen. Vermutlich eher Nackte, wenn Weeslow erstmal `Stadt der Freikörperkultur´geworden ist.“ „Ach so. Ja, dann bin ich dafür, dass man das schließt.“ fand Julia. „Eben. Dreyers Vorstellung – und die vieler anderer auch, auch meine – ist, dass hier in Weeslow irgendwann überall Nackte herumlaufen können, ganz locker und unbeschwert. Und sich keiner darüber aufregt.“ Sie kehrten zurück und verschiedeten sich voneinander vor dem Rathaus. Mila und Julia wollten nicht mehr zum Reiterhof. Der Tag war schon ereignisreich genug gewesen, und für einen Reitausflug war es zu spät. Sie riefen Michael an und teilten ihm mit, dass sie zum Forsthaus zurück fuhren. Sie radelten den gleichen Weg, den sie gekommen waren, allerdings noch viel entspannter als beim ersten Mal. „Ich bin so froh, Dich getroffen zu haben.“ meinte Mila unvermittelt. „Ich auch.“ Händchenhaltend fuhren sie die Nebenstraße nach Hause. Sie waren glücklich und verliebt. „Was haben wir noch alles vor in dieser Woche?“ fragte Mila. „Wir müssen zusammen ausreiten, unbedingt. Außerdem sollten wir mal den `Jugendhof´ besuchen, also die `Freikörperkirche´ von Pastor Varnholt. Das ist total nett da.“ „Und den Schäfer, den müssen wir auch besuchen. Olav heißt der.“ „Okay, den also auch. Und natürlich endlich an den See, den richtigen. Ach ja, und vielleicht zeigt uns ...