1. Die zweite Chance


    Datum: 25.04.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byswriter

    ... Blondine auf einer Skala von 1 bis 10 eine 8,5 gewesen war, so kam Erika Müller maximal auf eine 2. Mit viel gutem Willen. Wie soll es mir gelingen, mit dieser unscheinbaren Dame anzubändeln und meine Aufgabe zu erfüllen?
    
    Ich verlasse das Hotel und orientiere mich. Im Hotelfoyer habe ich mir einen Stadtplan ausgeborgt und bemühe mich, die Lage des Antiquitätengeschäfts rauszufinden. Ich entscheide mich für die U-Bahn. Irgendjemand hat mir einen Briefumschlag mit Geld in den Koffer gesteckt, an finanziellen Dingen wird das Vorhaben definitiv nicht scheitern. Eine halbe Stunde später stehe ich vor dem etwas schmuddelig wirkenden Ladenlokal. Es liegt in einem wenig frequentierten Stadtteil und ich denke nicht, dass Erika besonders viele Kunden am Tag begrüßen kann. Im Schaufenster entdecke ich kleinere Möbelstücke und Gemälde, deren Wert ich nicht im Ansatz einschätzen kann. Ich interessiere mich nicht für Kunst und frage mich, warum man ausgerechnet mir die Aufgabe übertragen hat, mit einer Kunsthändlerin anzubändeln. Ich habe mir auf den Weg überlegt, mich als Liebhaber von alten Gemälden auszugeben und werde von vornherein zugeben, dass ich von Kunst nicht besonders viel Ahnung habe. Den Kunstexperten würde mir Erika ohnehin nicht abkaufen, bin ich mir sicher.
    
    Ich nehme allen Mut zusammen und schreite auf die Ladentür zu. Durch die Glasscheibe erkenne ich, dass das Geschäft nicht sehr groß ist und sich offenbar kein anderer Kunde hierher gewagt hat. Niemand scheint ...
    ... im Geschäft zu sein, auch Erika nicht. Ich trete ein und ein leises Klingeln eines Glöckchens oberhalb von mir kündigt mein Eintreffen an. Ich sehe mich um und erkennen diverse Möbel, Skulpturen, altes Geschirr, Bilder in kunstvoll anmutenden Rahmen und viel Krimskrams, mit dem ich nichts anzufangen weiß. Aus einem Nebenraum gesellt sich jemand zu mir und begrüßt mich mit freundlicher Stimme.
    
    „Guten Tag ... Was kann ich für Sie tun?"
    
    Ich starre sie an, mustere sie von oben bis unten. Es ist Erika. Die Ähnlichkeit zum Foto ist frappierend. Wenn ich genauer darüber nachdenke, stelle ich fest, dass Erika haargenau so aussieht, wie Gibron sie mir präsentiert hatte. Derselbe karierte Rock, weiter oben die graue Strickjacke und die dunklen Haare hochgesteckt. Als wäre Gibrons Foto an diesem Tage geschossen worden. Eine unvorteilhaft wirkende Brille ziert ihr Gesicht. Ich schlucke schwer und werde nervös. Ich habe keine Ahnung, wie ich es angehen soll. Wenn ich auf Jagd nach einem Sexabenteuer bin, bin ich nie um passende Worte verlegen. Mir fällt immer ein cooler Anmachspruch ein, doch hier und jetzt stehe ich vor einem Mauerblümchen und habe keinen blassen Schimmer, wie ich sie für mich begeistern soll. „Guten Tag ... Ein schönes Geschäft haben Sie hier."
    
    Ob sie mir ansieht, dass ich ihr dreist ins Gesicht lüge? Oder glaubt sie selber, dass ihr schäbig wirkender Laden einem Schmuckstück gleicht?
    
    „Danke sehr", dankt sie mir und lächelt mich freundlich an. „Was darf ich ...
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