-
Ein Leben in Bedrangnis 09
Datum: 16.05.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byachterlaub
... zartfühlende Art hatte. Sein besonderes Hobby war die klassische Musik, die ihn gelegentlich sogar ins Ausland führte, nur um in Verona oder in Wien ein Symphonieorchester zu hören. Dass er passabel aussah, hatte ich bei dem mir bekannten Geschmack von Binh erwartet. Dieses zurückhaltend Charmante passte ohne Zweifel sehr viel besser zu der jungen Braut als meine eher direkte und zuweilen etwas grobe Verhaltensweise, die ich an den Tag lege. Unmittelbar nach dem Kirchgang ging es in eine elegante Gaststätte am Rande der Stadt. Die beiden Brautleute hatten wohl an die hundert Gäste eingeladen. Neben dem großen Kreis der Familien fanden sich Arbeitskollegen der Brautleute und eine Vielzahl von Bekannten. Die Besucherschar war kaum zu überblicken. Erst als die Tafel aufgehoben und die Gäste in kleinen Gruppen sich ins Gespräch vertieften, verlor der Tag etwas von seiner Steifheit. Ich hatte mir gerade noch einmal ein Glas Wein von einem der herumflitzenden Kellner einschenken lassen, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippte. Als ich mich umblickte, stand -- Nadine vor mir. Ich war sprachlos. Ich hatte so die Fassung verloren, dass ich sogar vergaß zu grüßen. Mir schoss nur durch den Kopf: Wie kann das sein? Was macht sie hier? Ist sie denn eingeladen? Nadine erfasste wohl sofort meine Gemütslage, indem sie ungefragt antwortete: „Binh hat mich eingeladen. Ich freue mich so, euch zu sehen, besonders dich, Denis." Wortlos setzte ich mein Glas ab und ...
... umschlang Nadine. Ich herzte sie nicht etwa. Nein, ich schnürte ihr die Luft aus den Rippen. Ihr ging es kaum anders. Denn auch ich spürte ihren kräftigen Druck. Bis unsere Arme zu zittern begannen, quetschten wir unsere Leiber aneinander. Das hatte nichts von körperlichem Begehren. Das war der unendliche Wunsch nach Gemeinschaft, nach der Wärme und dem Zutrauen des anderen. Als mir viel später die Szene nochmals in den Sinn kam, stellte ich fest, dass wir uns noch nicht einmal geküsst hatten. Uns genügte der Körperkontakt. Dieses Zusammentreffen hatte Binh wohl beobachtet. Denn als wir uns nach Augenblicken getrennt hatten, stand sie neben uns und sagte: „Das ist mein Geschenk an euch." Schon war sie wieder im Gewühl der Menschen verschwunden. Wir hatten viele Gedanken auszutauschen. Erst als wir uns hingesetzt hatten, schaute ich mir Nadine genauer an. Sie war unverkennbar älter geworden. Ihr Gesicht strahlte nun eine weibliche Reife aus. Sie hatte gegenüber früher wohl auch an Gewicht zugenommen. Aber immer noch war sie groß und schlank. Ihre Brüste hatten im Volumen auch noch zugelegt. Aber da sie an jenem Tag im Hosenanzug auftrat, fiel dies nicht sogleich auf. Natürlich sind auch ihr Veränderungen an meiner Person aufgefallen. Sie sagte schon bald mit einem Lachen: „Denis, deine Haare sind auch nicht mehr geworden." Es kam mir vor, als ob wir nur wenige Tage getrennt gewesen wären. Dabei lag unser letztes Treffen bald zwei Jahre zurück. Aber immer noch übte diese ...