Der Pastor und das Mädchen
Datum: 13.09.2020,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Hassels
... zusammen, gegart. Nudeln in Salzwasser gekocht. Sie hatte sehr preiswert eingekauft. Alles zusammen hatte keine drei Euro gekostet. Das Wechselgeld lag auf dem Küchentisch.
Sie unterhielten sich wieder, jetzt über ihr Verhältnis zu ihrer Schwester. Sie war eifersüchtig auf die Bevorzugung, liebte sie aber trotzdem, auch wenn sie es sich nicht eingestand. Vielleicht weil sie sie nachts öfters weinen hörte.
"Bist Du denn nicht zu Katja rüber gegangen um sie zu trösten?"
Annika sah den Pastor jetzt verwundert an:
"Das ging nicht, sie hatte sich immer eingeschlossen. Immer wenn ich an der Tür war, war sie anschließend ruhig."
Es passte alles zusammen. Was sollte er jetzt als Pastor tun. Da sein Wissen kein Beichtgeheimnis verletzt, hatte er die freie Wahl. Nach dem Essen wollte er mit Annika darüber reden. Bis dahin hatte er Zeit, sich zu überlegen, wie weit er gehen würde. Sein Glaube verbot es ihm, einen Menschen zu denunzieren. Sein menschliches Gewissen sah es als Gebot an, genau das zu tun.
Das Essen war fertig, konnte angerichtet und serviert werden. Die Uhr der Entscheidung tickte unaufhaltsam. Nach dem Essen räumte Annika das Geschirr in die Spüle und ging daran, das vom morgen und das jetzige gemeinsam zu spülen. Müller ging noch einem Gedanken nach und er schaute in das Taufbuch der Gemeinde. Annika hatte er schnell gefunden, sie war am fünfzehnten Mai getauft worden, zwei Wochen nach ihrer Geburt. Die Suche nach Katja gestaltete sich schwieriger. Sie ...
... war als Katja Schwarze getauft worden, Taufpaten waren Petra und Herbert Clausing. Ganz unten war ein kleiner Vermerk: Adoptiert durch P + H Clausing, ein Jahr später. Pastor Müller hatte seine Nase jetzt so tief in der Angelegenheit, das er noch einen anderen Verdacht hegte.
Nach längerem Suchen, fand er zwei weitere Bausteine, die ihn schlimmstes befürchten ließen. Petra Clausing hieß mit Mädchenname Schwarze. Vier Monate nach Katjas Geburt wurde die sechzehnjährige Michaela Schwarze nach Suizid beerdigt. Er hatte selbst die Trauerfeier abgehalten. Vom Erzbistum war den Pfarrern freigestellt worden, selbst zu entscheiden, wie sie verfahren. Zuvor gab es ein striktes Verbot, bei Suizid eine Beerdigung kirchlich zu begleiten.
Es klopfte an der Tür, die Tür ging auf und Annika kam in das Büro.
"Pastor Müller, ich möchte nicht nach Hause zurück, da sind zu viele Sachen ungeklärt. Und nächste Woche ist der Gerichtstermin, zur Abschaltung von Katjas Lebenserhaltenden Maschinen. Ich würde gerne Theologie studieren. Mein Vater will mich aber bei dem Blödsinn nicht unterstützen. Soll ich erst mal ins Mädchenheim ziehen?"
Annika hatte klar formuliert was sie wollte. Wie konnte er ihr jetzt helfen, ohne dem Abschluss seiner Untersuchung vorzugreifen.
"Komm mal mit," er öffnete die zweite Tür des Büros mit einem Schlüssel. Sie standen nun auf einem anderen Flur. Es war die Einliegerseite die zur Kaplanwohnung führte. Da es hier seit Jahren keinen Kaplan mehr gab, war es ...