1. Sean 02


    Datum: 06.10.2020, Kategorien: Schwule Autor: byLysyana

    ... alles erzählt und zu wem die Freundschaft nicht nachlässt, selbst wenn man sich eine Weile mal nicht sieht.
    
    Vielleicht sollte ich an dieser Stelle etwas Weiter ausholen. Ich war der Jüngste in der Abschlussklasse. Bereits mit fünf Jahren wurde ich eingeschult, übersprang schnell die erste, später die sechste und die elfte Klasse. Ich machte mit fünfzehn mein Abitur und hatte nicht viele Freunde an der Schule. Jedenfalls nicht viele richtige Freunde. Ich war das komische Kind, dem anscheinend alles in den Schoß fiel. Dass ich aber neben der Schule auch regelmäßig Klavier spielte, Auftritte hatte und durch Europa reiste, wurde von den meisten meiner Mitschüler als Arroganz interpretiert, nicht als Leistung. Ich war komisch, weil ich nie auf eine Party ging, aber trotzdem die komplette Abschlussfeier musikalisch begleitete. Die paar Freunde, die ich hatte, waren viel älter als ich und nach dem Abschluss blieb ich nur mit Matthias und Johanna in Kontakt und auch nur, weil sie ebenfalls Musik spielten. Andernfalls hätte ich gar nicht gewusste, was ich mit ihnen reden sollte. Ich war fünfzehn, ich hatte keine Ahnung vom Leben und flüchtete mich schon immer in die Musik. Dazu kam, dass ich verdammt schüchtern war. Ich fühlte mich einfach immer fehl am Platz, es sei denn, ich spielte Klavier. Das ist schwierig zu erklären. Egal, jedenfalls blieben wir Freunde.
    
    „Hey." ich stand auf und umarmte Thias.
    
    „Ich dachte, du bist in Moskau?", fragte ich ihn und betrachtete sein ...
    ... Gesicht. Er sah gut aus, wie immer. Seine lockigen Haare umrahmten sein schmales Gesicht, in dessen Mitte eine etwas zu große Nase prangte, die ihm aber Charakter verlieh. Seine Augen waren irgendwo zwischen braun und grau und seine Lippen waren voll. Solch volle, sinnliche Lippen hatte ich noch nirgendwo gesehen. Er war auf seine Weise schön.
    
    „Ja, das war ich auch. Lass dich ansehen, Sean. Du siehst gut aus."
    
    „Danke, du auch. Wann haben wir uns zuletzt gesehen? Weihnachten?"
    
    „Ja, das könnte hinkommen. Ich habe dir so viel zu erzählen. Es war toll in Russland."
    
    Thias war vor einigen Monaten als Gastchellist zum Staatsorchester nach Russland eingeladen worden. Er hatte die Gelegenheit beim Schopf gegriffen und das Angebot angenommen.
    
    „Sag, seit wann bist du wieder hier?", ich half ihm das Chello auf die leicht erhöhte Bühne zu tragen und es aufzustellen.
    
    „Seit einigen Tagen. Ich wollte dich überraschen. Dein Gesichtsausdruck war es wert." Wir lachten und ich führte ihn aus dem Saal hinaus zu einem der Zimmer im privaten Teil der Galerie.
    
    Dort verbrachte ich den Abend, bis es Zeit für meinen Auftritt war. Ein Büro, mehr eingerichtet wie ein Wohnzimmer, in dem eine Kaffeemaschine stand und ich mich ungestört mit Thias unterhalten konnte.
    
    Ich machte uns beiden einen Kaffee und wir setzten uns gegenüber auf die Couch. Es war einfach toll, dass mein bester Freund endlich wieder vor mir saß. Ich hatte ihn schon ziemlich vermisst über die letzten Monate. Egal wie ...
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