Eine Brasilianerin in Hamburg
Datum: 08.06.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byCamilaFrank
... traf es ihn wie mit einem Fausthieb in den Magen. Der Typ erhob sich, unterschrieb dem Kellner etwas, das wohl die Rechnung war, und Alicia stand ebenfalls auf. Der Mann schob galant ihren Hocker ein wenig zurück und dann gingen sie gemeinsam in Richtung Hotellobby.
Ihre Jacke lag noch an der Theke, auf einem der Hocker. Sie kam zurück, während der Typ ein paar Meter weiter wartete. Die Jacke hatte sie ganz bewusst dort vergessen, das merkte Thomas jetzt. Denn sie suchte nur eine Gelegenheit, ihn noch einmal anschauen zu können, ohne dass der Typ das merkte. Sie warf ihm einen Blick zu, eine Mischung aus liebevoll, höhnisch und vor allem lustvoll. Sie formte ihre Lippen zu einem ganz leichten Kuss, nahm ihre Jacke und ging zurück zu ihrem Begleiter.
Sie gingen in der Hotellobby nach links. Wirklich nach links. Dort waren die Aufzüge. Es hätte ja auch sein können, dass sie sich jetzt in der Hotellobby voneinander verabschiedeten und sie dann draußen auf ihn, Thomas, wartete.
Aber nein. Sie gingen nach links zu den Aufzügen. Sie würde ihn auf sein Zimmer begleiten. Unter Thomas rutschte der Boden weg. Dramatisch weg. Er fiel, durch alle Erdschichten hindurch, es wurde heiß in ihm. Er spürte erst die Erdkruste, dann das Magma und dann den heißen Eisenkern. Das alles innerhalb weniger Sekunden. Die längsten Sekunden des Jahres. Seine Hände waren nass und eiskalt. Er bekam jetzt, was er wollte. Das wollte er doch, oder? Nein. Doch.
Er blieb noch Minuten lang ...
... regungslos sitzen. Stellte sich vor, wie die Aufzugstür irgendwo aufging. Im zweiten Stock? Oder im fünften? Wie sie ihm spielerisch schüchtern folgte. Oder vielleicht auch wirklich schüchtern. Wie der Typ die Schlüsselkarte vor das Schloss hielt und die Tür sich öffnete. Wie sie ihm ins Zimmer folgte. Küssten sie sich schon vorher im Aufzug? Küssten sie sich jetzt, in dieser Sekunde im Zimmer? Hielt er sie an den Hüften fest? Hatte sie ihre Hände um ihn geschlungen? Oder auf seiner Brust? Küsste sie ihn leidenschaftlich? Fordernd? Oder zurückhaltend?
Es machte ihn verrückt. Er zahlte seine zwei Glas Weißwein und ging wie von Sinnen aus der Bar, zurück zu seinem Auto, das er ganz in der Nähe abgestellt hatte.
Sie würde doch nicht...? Doch, sie würde. Sein Handy vibrierte wieder, es war Alicia. Aber nicht per Sms, sondern als Anruf. Er hatte ihr gesagt, dass er gerne zuhören würde. Sie sollte, falls sie einen Typen fand, der ihr gefiel und mit ihm aufs Zimmer ging, dem Typen sagen, dass sie ihr Handy abstellen würde, dann aber in Wirklichkeit Thomas anrufen, ohne dass der Typ das merkte und dann die Verbindung einfach laufen lassen.
Er nahm ab. Geraschel, irgendwelche Geräusche, keine Stimmen. Er konnte es nicht zuordnen, aber das Bilderkarussel in seinem Kopf nahm an Fahrt auf. Er beeilte sich, in sein Auto zu kommen, schloss schnell die Tür, denn hier drinnen war es stiller und er konnte jetzt mehr Details hören. Er hörte die Stimme des Typen. „Ja, genau da. Das ist ...