1. Ins Kreuz


    Datum: 06.12.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen

    ... zusätzlich zu ihrem Aprikosenparfüm entströmte den Stoffalten eine überwallender Vanilleduft. Ich hätte sie gleich noch einmal nehmen können -- hätte sie nicht so verängstigt ausgesehen.
    
    »Wer sind
    
    sie
    
    ?« fragte ich.
    
    »Irgendwelche Mönche oder so. Sie tragen Kreuze um den Hals immerhin. Ich weiß, es sieht nicht so aus, aber dieses Kleid ist echt ein Hauch von nichts.« fügte sie hinzu.
    
    Mit diesem Rätsel wurden wir einige Zeit allein gelassen. Johanna wollte sich nun trotz allem nicht mehr hinsetzen -- man bedenke das Kleid. Ich fragte mich, ob sie mir auch einen Anzug überlassen würden.
    
    Irgendwann veränderte sich der Blick durch das kleine Gitterfenster in der Tür. Der Gang flammte auf in Beleuchtung, die tatsächlich stetiger schien als die offenen Feuers. Und dann näherten sich klackende Schritte, geruhsam, nicht so schlurfend wie der Mönch, der sie hergebracht hatte. Und die Tür öffnete sich erneut.
    
    Die Frau, die vor uns stand war alt -- aber nicht zu alt für den Eindruck sprühender Kraft, die von ihr ausging. Sie musterte uns ein wenig belustigt. Um den Hals trug sie ebenso ein Kreuz; gerahmt von langen, gepflegten grau melierten Haaren, in das Perlen eingeflochten waren, als hätte sie dort ihren Rosenkranz demontiert.
    
    »Ich muss die eingebüßte Begrüßung entschuldigen.« begann sie. »Aber wir arbeiten größtenteils im Geheimen und da schleifen sich einige... Unaufrichtigkeiten ein, die Sie nicht persönlich nehmen sollten. Bitte folgen Sie mir, und ich ...
    ... werde alles auf dem Weg erklären.«
    
    Und tatsächlich verdutzte mich diese freundliche Aufmachung so sehr, dass ich ohne Widerrede folgte. Na gut, vielleicht war ich auch eingeschüchtert von meiner Position als Einbrecher und das alles, weil sie ja offensichtlich »zum Haus« gehörte.
    
    Uns empfing warmes Lampenlicht. Unser Gefängnis schien die Grenze zu sein zwischen dem ungeputzten Teil der Katakomben mit Fackelbeleuchtung und dem bewohnbaren mit dezenten Milchglasleuchten in regelmäßigen Abständen und gelbverputztem Gewölbe. Trotzdem war der Weg, durch den sie uns lotste, labyrinthartig durch die hunderte von Kreuzungen, und nicht wenige Wände waren tatsächlich mit Grabnischen ausgekleidet; viele Särge figurativ ausgearbeitet. So viele leere Gesichter. Auch sie hatten alle mal ein Weib geliebt, wie das, was gerade, ja angeblich nackt, ihr süßes Ärschchen vor mir in der weißen Spitzenflimse pendeln ließ.
    
    Alldieweil erklärte die Ordensschwester:
    
    »Wir haben als Frauenorden einen schlechten Stand in der Katholischen Kirche. Deswegen bleiben wir auch lieber geheim, operieren aber in den meisten größeren Krypten städtischer Kirchen; manche lediglich mit einigen Wolldecken in Abstellkammern, andere, wie wir, haben vollausgestattete Installationen mit breiten Betten und den nötigen Sanitäreinrichtungen, die
    
    Sie
    
    , also Ihre Frau,« fügte sie an mich gerichtet hinzu, »schon kennenlernen durften. -- Ach hier drüben ist übrigens unser Duftstofflager, gefällt es Ihnen?« Ich ...
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