1. Das Lied ohne Sprache


    Datum: 10.01.2021, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byBleeding_Heart

    ... bevor sie das Licht in ihren Augen verloren und für immer den Blick der Gleichgültigkeit aufsetzten.
    
    Hylias Hände glitten weiter über seine Lenden hinweg, hinab, seine Beine hinab.
    
    Er hörte sie kurz atmen und sich sammeln.
    
    „Diese Stelle ist etwas schwieriger. Das wird jetzt doch wehtun."
    
    Diesmal hoffte er, dass sie log.
    
    Doch sie log nicht.
    
    Er ertrug es, als sein Fuß erneut gedreht wurde, diesmal in die andere Richtung.
    
    Das Knacken war widerwärtig, doch er hielt es aus.
    
    Er fühle ein Pochen im Hinterkopf, als sein Knochen wieder in seine normale Form gebogen wurde.
    
    Mit einem Ruck rammte sich sein Knochen wieder zurück in sein Gelenk, und diesmal schrie er.
    
    Er schrie, und er ließ alles hinaus, was dringend aus ihm verschwinden musste. Hass, Schmerz, Liebe, Entsetzen, Wut, Furcht und die alles überlagernde Angst, die ihm nicht einmal die Mutationen hatten rauben können.
    
    Er schrie selbst dann noch, als Hylia ihn fertig geheilt hatte, und ihm traten Tränen in die Augen.
    
    Erst als sie aufstand und ihn umarmte, und beruhigend auf ihn einflüsterte, erstarb sein Schrei und sein Schmerz.
    
    Er weinte, und durchsichtiges Salz mischte sich mit dem roten Boden.
    
    „Shhh, es ist alles gut", sagte sie. „Es ist alles gut, ich bin ja da. Ich bin da, Rivaell, ich bin da. Shhh."
    
    Ihre Hände lagen auf seinen Schulterblättern, ihren Kopf drückte sie gegen seinen Bauch, sie schmiegte sich an ihn. Und er vergaß, was sie getan hatte. Er vergaß, dass sie der ...
    ... der Grund für all seinen Schmerz und all seinen Hass und all seine Trauer war.
    
    Denn sie war alles, was ihm noch blieb. Sie hatte ihn verraten. Sie hatte ihn betrogen. Sie hatte einen Teil von ihm getötet.
    
    Und sie war alles, was ihn noch hielt und alles, worauf er sich noch stützen konnte, denn nur durch sie verlosch die Angst in seinem Inneren zu einem winzigen Funken kalten Feuers. Nur sie war dazu in der Lage, und er vermisste jetzt schon den Augenblick, in dem er in ihren Armen lag, da er wusste, dass er sie später erneut bekämpfen musste, sollte er überleben.
    
    In diesem einen Moment, da jede Freude und jedes intensive Gefühl diese Seelen verband, die sich liebten, obwohl sie sich hassen müssten und die sich hassten, weil sie sich liebten, in diesem Moment, da sahen beide, dass ihre Zeit nur noch begrenzt war, wenn auch sie beide schon länger lebten als die meisten anderen.
    
    Doch auch dieser Moment ging zu Ende, und ihre Körper trennten sich.
    
    Hylia blickte ihm ins Gesicht, und er öffnete die Augen. Sie lächelte nicht, und Rivaell sah den Schmerz in ihren Augen, als eine Träne ihre Wange hinabrann.
    
    Er lächelte, er wollte sie nicht so sehen, und sie lächelte schwach zurück, versuchte ihn zu täuschen.
    
    Es gelang ihr nicht.
    
    Ein Stich zuckte durch Rivaells Kopf. Er wollte sie so nicht sehen. Nicht ihre Sommersprossen, nicht ihre langen, schwarzen Haare, nicht ihre blauen Augen, nicht so. Ihr Gesicht war nicht für Tränen gemacht.
    
    „Ich wünschte, es wäre ...
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