1. Wenn die Nachtigall erwacht 04


    Datum: 19.06.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: by_Faith_

    ... kleinste Unachtsamkeit konnte die gesammelte Flüssigkeit zum überschwappen bringen. Sie konzentrierte sich auf eine langsame und flache Atmung - einfach nur atmen. Ihr Empfinden verengte sich auf ihre Körpermitte, auf den Zapfen, der quälend in ihr steckte. Das Gefäß quoll nicht über, es zerging ohne Vorwarnung und der Inhalt ergoss sich in ihrem Geist. Auf dem höchsten Punkt der Lust schüttelte ein Weinkrampf ihren Körper, der so herrlich befreiend war wie ein Sommergewitter nach einem drückend schwülen Tag.
    
    *
    
    Als Blitz und Donner verzogen waren, lächelte sie mit tränenumrandeten Augen und schaute sich um. Der große Laufvogel war nicht mehr in ihrer Nähe. Vorsichtig erhob sie sich mit weichen Knien und baute sich vor dem Zapfen, auf dem sie eben noch gesessen hatte, auf. Sie reckte ihre Arme dem Himmel entgegen und befahl: »Wachse!«
    
    Der Zapfen schob sich aus dem Boden, wurde dick wie ein Baumstamm und überrage die Königin nach wenigen Augenblicken um das Vielfache ihrer Größe. Beeindruckt schaute sie an dem Stamm empor. Ihr war bewusst geworden, dass diese niederen Gewächse der Anfang von Allem waren, was sie in dieser Welt Erschaffen konnte. Es war die Grundsubstanz des Lebens. Sie breitete die Arme aus und aus der Spitze wuchsen ultramarinblaue Blätter. Das Ergebnis ähnelte einer Südseepalme mit einem schwarzen, glatten Stamm und einer blauen Blattkrone.
    
    Die Königin stemmte sich dagegen, bis sich der Stamm neigte und auf Brusthöhe nahezu waagerecht über dem ...
    ... Boden schwebte, so wie manche Südseepalmen vom Strand in Richtung Meer wuchsen. Behände kletterte sie auf den Stamm und legte sich bäuchlings darauf. Nach dieser analen Grenzerfahrung war die Bauchlage sicher angenehmer als Sitzen. Mit hängenden Armen und Beinen, in der anmutigen Trägheit einer Raubkatze, genoss sie ihre Kreation und ließ den Blick zum Horizont schweifen. Die Ausläufer des dunklen Waldes warfen dunkle Schatten auf ihr Reich und versinnbildlichten geradezu provokativ die Grenze ihrer Macht.
    
    Bei der Erinnerung an diesen Wald und den darin lebenden Wesen, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Bisher hatte sie dieses Gebiet ignoriert, zumal V'nyx der IV. auch nichts damit anfangen konnte. Sie richtete ihren Oberkörper auf und schaute sich um. Ihr Cerebrat war nicht zu sehen und sie wollte ihn nicht rufen. Womöglich war er noch geschockt, von ihrem Geständnis, eine Königinnenmörderin zu sein. Fest entschlossen, mehr über diesen dunklen Wald, diesen Fremdkörper in ihrer Welt, zu erfahren, ließ sie sich von der Palme gleiten und marschierte zu dem Gebiet.
    
    Sie blickte durch das Unterholz ins Innere des Waldes, schob die ungewohnt stacheligen Sträucher zur Seite und setzte den ersten Fuß in die Dunkelheit. Ein zischelndes Geräusch schreckte sie auf. Sie wollte fliehen und sah ihre zitternde Hand mit den blauen Fingernägeln.
    
    »Das ist meine Welt!«, sagte die Königin. Ihre Fingernägel wurden länger und liefen spitz zu. Mit entschlossenem Blick machte sie den ...
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