Wenn die Nachtigall erwacht 04
Datum: 19.06.2018,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: by_Faith_
... dieser Cerebrat gewaltige Ausmaße haben. Nur alte oder sehr mächtige Cerebrate leisteten sich solch eine martialische Angriffsblüte. Diese Ausprägung hatte Miriam noch nicht in der realen Welt gesehen. Alle bisherigen Cerebrate waren noch jung und klein gewesen, wenn die Menschen auf sie aufmerksam wurden, die Andersartigkeit erkannten und das Fremde nach anfänglicher Neugier zerstörten. Die Königin erstarrte im Anbetracht dieses Monsters und stierte die Blüte mit weit aufgerissenen Augen an, als sie sich über ihr absenkte. Bevor die gezackte Blüte mit den messerscharfen Blattkanten zuschnappte, wurde die Blaue Königin rabiat weggestoßen. Die dunkle Kreatur hatte ihr einen beherzten Stoß versetzt und stand nun dort wo, eben noch die Königin stand. Die Kreatur wurde von der Blüte vollständig umschlossen und in die Dunkelheit gezogen.
*
Miriam erwachte schreiend. Sie hatte es trotz der engen Umschließung des Kokons geschafft, ihren Oberkörper im Bett aufzurichten und blickte mit geöffneten, bernsteinfarbenen Katzenaugen in die Dunkelheit.
‚Was ist?', fragte V'nyx der IV.
»In dem dunklen Wald gibt es noch einen Cerebrat, einen gewaltigen roten Cerebrat«, sagte Miriam mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie einen Geist gesehen.
‚Dann sind wir doch nicht alleine auf dieser Welt', sagte V'nyx der IV. erfreut.
Miriam hätte die orangefarbene Blüte ihres Cerebraten wahrscheinlich im Affekt mit bloßen Händen zerquetscht, wenn sie nicht in dem engen Kokon gesteckt ...
... hätte.
»Warum hast du mir das nicht gesagt!«, schrie Miriam. Hastig schlängelte sie ihren sattschwarzen Latexkörper aus dem Kokon. Sie empfand die enge Umschließung nicht mehr wie eine liebevolle Umarmung, sondern wie eine bedrohliche Einschränkung ihrer Bewegungsfähigkeit. Sie war im Alarmzustand und musste sich frei bewegen können.
Unbeeindruckt von der aufgebrachten Königin erklärte V'nyx der IV. gelassen: ‚Ich wollte dir vorhin sagen, dass ich den dunklen Wald nicht alleine betreten kann. Ich kann nicht einmal von außen hineinschauen. Das geht nur, wenn du bei mir bist.'
»Warum?«, fragte Miriam barsch. Sie hatte sich mittlerweile aus dem Kokon befreit und tapste mit nackten Füßen über den Boden. Dabei hinterließ sie schmatzende Fußabdrücke aus Babyöl.
‚Ich weiß es nicht!', antwortete V'nyx der IV.‚ vielleicht liegt es daran, dass der dunkle Wald nicht wirklich Teil der Anderswelt ist. Warum weißt du das nicht? Ach ja, du warst ja all die Jahre mit Blindheit geschlagen.'
»Jetzt wird er auch noch zynisch«, raunte Miriam und fuhr sich durch ihre öligen Haare. Sie hätte noch ein paar Stunden in dem Kokon schlafen müssen, um das ganze Öl zu absorbieren, jetzt war es mitten in der Nacht, und sie glänzte wie eine rabenschwarze Speckschwarte. Eigentlich sah das sehr verlockend aus und fühlte sich auch sehr angenehm an, aber Miriam war absolut nicht nach amourösen Spielen zumute.
‚Nimm mich mit in die Anderswelt, dann können wir mit dem roten Cerebrat reden und ...