Die Mitte des Universums Ch. 38
Datum: 03.07.2018,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: byBenGarland
... war Nguyet einfach eifersüchtig?
Kurz vor Elf wurden wir von Trinhs Familie gebeten, uns an den runden Mittagstischen niederzulassen. Natürlich hatte ich gehofft, neben Nguyet zu sitzen zu kommen, aber sie war ja noch nicht einmal hier. Ich wollte ihr aber auch keinen Platz freihalten, denn viele Leute wussten ja, dass ich verheiratet war. So saß ich neben einer jungen Lehrerin, die vor vier, fünf Jahren bei uns aufgehört hatte und nach Da Nang gezogen war, weil sie geheiratet hatte. Komischerweise hatten die beiden -- sie und ihr Mann -- aber immer noch kein Kind.
Das Brautpaar marschierte herein, und die Musik begann sogleich so laut zu spielen, dass keine Unterhaltung mehr möglich war. Also hielt ich mich ans Essen und sah weiter nach Nguyet Ausschau. Bis vor einem halben Jahr wäre jede Hochzeit in Vietnam noch in einem absoluten Besäufnis geendet, aber auch das war vorerst vorbei, weil die Regierung die Trunkenheit am Gasgriff bekämpfen wollte. So tranken ziemlich alle, die mit dem Moped angereist waren, nur relativ wenig Bier.
Wir wurden nun alle von einer Frau, die mit kleinen vorgedruckten Zetteln und Stiften herumging, angehalten, doch Karaoke zu singen, aber irgendwie stand mir nicht der Sinn danach. Da mir die Leute und die laute Musik ein bisschen auf die Nerven gingen, stand ich auf und ging erst einmal eine rauchen, da ich eigentlich schon genug gegessen hatte. Als ich fertig war, überlegte ich, ob ich nicht einfach nach Hause fahren sollte, um ein ...
... Schläfchen zu machen, weil ich halb Vier wieder arbeiten musste. Gerade als ich dabei war, das Für und Wieder noch einmal abzuwägen, bog aber Nguyet auf ihrer Honda um die Ecke, gefolgt vom Mannschaftsbus unserer Schule.
Ich setzte mich wieder an den Tisch, zum großen Teil nur aus Höflichkeit, und verfolgte Nguyet, wie sie mit meinen Kollegen -- die zum Teil ihre Exkollegen waren -- schnackte, dann mit ihnen gemeinsam sich einen Tisch suchte, mich aber nicht einmal grüßte, obwohl ich sicher war, dass sie mich gesehen hatte. Na ja, sie wusste jedenfalls, dass ich hier war. Immerhin saß sie nun so, dass ich sie sehen und bewundern konnte.
Aber meine Chefin hatte recht gehabt: Nguyet sah nicht gut aus. Ihre Ärmchen waren noch dünner als sonst, und ihre Oberlippe schien mittlerweile permanent oben auf ihrem Zahnfleisch zu ruhen. Was ich jahrelang als süß und herzerwärmend empfunden hatte -- wenn beim Lachen ihre Oberlippe auf dem Zahnfleisch hängen blieb -- sah nun wenig anziehend aus, da ihr Gebiss ihr schönes Gesicht dominierte. Ja, Nguyet sah etwas verhärmt aus; man konnte es nicht leugnen.
Nguyet trug ein leuchtend blaues, kurzes, geschneidertes Kleid, das so, wie sie saß, nicht einmal die Hälfte ihrer Oberschenkel bedeckte. Dazu hatte sie weiße Strümpfe oder Strumpfhosen an. Sie trug ihr Haar hochgesteckt und hatte wieder eine neue Brille. Vielleicht war ihre alte beim Unfall kaputtgegangen, wie meine damals auch, vor einem anderthalben Jahr. Ich saß seitlich hinter ihr; ...