1. Nachtgedanken


    Datum: 30.07.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen

    ... eigenen grünen Augen rieb sie auf. Vor dem Spiegel kamen sie ihr versifft vor.
    
    Dieses Mal klappte das Verdrängen nicht. Zacharias erzählte nicht von seiner Reise im Zeppelin und seinen Handelsbeziehungen zum Reich der aufgehenden Sonne, sondern wiederholte nur vielsagend: »Rikon.«
    
    Jay wich weiter bis an die Umfassungsmauer zurück und wandte sich halb wieder der Nacht aus Schwärze und unbestimmter Furcht in der Magengrube zu.
    
    »Ein Lüstling.« kommentierte sie nur.
    
    Gleich würde sie nochmal weinen -- aus Enttäuschung. Ihr Bruder präsentierte sich ihr an diesem Abend ebenso als Bote der Dunkelheit wie die Dunkelheit selbst, die sie umgab.
    
    Wie sie wohl von unten aussahen -- Ein glühender Stern aus Laternen, ein großer trichterförmiger Bau aus ungezählten Stockwerken und tausend goldenen Bleiglasfenstern. Und dann die letzte Laterne ganz unten, die tiefste, wie eine kleine Positionsleuchte. Ja, Menschlinge, falls ihr da unten in Höhlen hausen solltet: So tief reichen wir hinab.
    
    »Ist er dir auf dem Fest zu nahe gekommen? Flüchtest du deshalb hier runter?«
    
    »Ich komme öfters hierher.« verteidigte sie sich.
    
    Sie wusste, dass ihre Familie sich schämte, dass sie ihren (Zwangs-)verlobten Rikon so lange zurückwies. Sie hatte bislang immer gedacht, ihr Bruder Zack wäre die Ausnahme.
    
    »Aber ja, so oder so ähnlich war's.« fügte sie schließlich zögerlich hinzu. Es war immer noch besser, ihr Bruder hielt sie für eine Kokette als dass er die düsteren Gedanken erahnte, ...
    ... die sie wirklich an die diese Absturzkante der Stadt trieben.
    
    »Was hast du denn gegen ihn? Immerhin gehört ihr zur selben Zunft. Ihr eröffnet eine kleine Stickereiwerkstatt in der Paulsgasse, du gebärst ihm sagen wir zweidrei Kinder und die liebe Seele und du haben ihre Ruh'.«
    
    »Sehr witzig.« meckerte sie düster. »Ich --«
    
    »Ja?«
    
    »Ich kann... die Vorstellung einfach nicht ertragen, dass er mich anfässt. Ich sagte doch, er ist ein Lüstling. Ich mag seinen Sabber nicht riechen. Sein Parfum stinkt nach fettig geronnenem Sirup. Seine Fingerkuppen -- Seine Fingerkuppen sind furchig und grob wie ein gepflügter Acker und seine Augen suchen mich und suchen mich und suchen mich -- und finden mich.«
    
    Fast glaubte sie, die matschbraunen ordinären Augen ihres Verlobten würden sich wie riesige Eisdiamanten hinter ihr in der Nacht auftun. Aber sie drehte sich nicht um.
    
    »Die Vorstellung?«
    
    »Ja.«
    
    »Also... hattet ihr... noch nichts?«
    
    Jetzt hatte er sie. Warum hatte sie nur zögern müssen? »Nein.« log sie.
    
    »Dann sage ich dir: Du machst dir einen riesen Fussel um etwas, das du gar nicht kennst. Das sind alles Paranoia.« Wenn du wüstest, grummelte sie im stillen. »Weißt du, wir Männer sind gar nicht so grob, wie ihr Jungfern immer denkt. Es kann ein durchaus angenehmes und zärtliches Erlebnis sein. Auch beim ersten Mal; Ja, dann besonders.«
    
    »Danke für deinen Rat.« Sie wünschte sich ihn nur noch weg; Wenn er glaubte, sie würde seine Patronisierungen annehmen und folgsam ...