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Nachtgedanken
Datum: 30.07.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byEmaSen
... sein, würde er sie hoffentlich endlich allein lassen. Wenn sie es nicht geschafft hatte, den Zynismus in ihrer Stimme zu tilgen, so merkte er nichts davon. »Ja, bitte!« führte er weiter aus. »Ich muss doch meiner kleinen Schwester -- Weißt du, eigentlich hoffe ich, ich könnte noch mehr tun... um dir zu helfen -- Weißt du, es gibt Grenzen, die zu überwinden und die... in vertrauter Atmosphäre zu überwinden durchaus tröstsam und heilend sein kann...« Er hatte sich ihr nun offen zugewandt. Er hatte in seiner Abwesenheit an Muskeln zugelegt. Vielleicht Dattelkisten geschleppt; er war bei den Arbeitern beliebt für seine flache Hierarchie. Seine Brust stach kantig aus seinem Hemd hervor wie Kliffe in grünen Hügeln. Sie, im Korsett, den Fächer am Seidenbändchen an der Taille, ihre Löckchen spielerisch hochgebunden hinter ihrem schmalen Gesicht, lehnte an einem Tragpfeiler des Steinpavillions, an dessen kühlem rauen Stein sich ihre Hände nun zusammenfanden. »W. Was meinst du?« stammelte sie. »Du bist so verängstigt. Die Welt, dein Mann -- Du treibst diese tiefe Scharte zwischen dich und die Realität, wie sie wirklich ist. Lass mich dir helfen.« Er betonte die »L«s zu stark, als hätte er getrunken. Aber seine Hände waren eisenhart, als sie sich auf das Dekolleté ihres Korsetts legten. Sie hätte jetzt etwas sagen können wie »Lass das« oder klischeebeladener: »Fass mich nicht an«, oder direkt hinter der schweren Tür in die oberen belebteren und festlichen Etagen ...
... untertauchen können. Aber wisst ihr was? Es war ihr mittlerweile egal. Sie fragte sich nur ansatzweise, ob sie nicht eben schon ein stückweit gesprungen war, indem sie ruhig seinen niedergeschlagenen trüben Augen begegnete und seinem Vortasten keinen Widerstand entgegenbrachte als vielleicht ein unruhiges, lediglich in einem leise schimmernden Lichtreflex sich äußerndes, Ekelgefühl ihrer Haut, die seine Fingerkuppen mit ihrer angeborenen Elastizität entgegennehmen musste. Sie ignorierte auch sein haltloses Gestammel, mit dem er irgendwie zu rechtfertigen suchte, warum er gleich die aufgeschnürten Titten seiner Schwester in Händen hielt. Ein wenig Nachtwind trocknete und verkältete den Schweiß in ihrer Busenritze. Bald tastete seine Hand, eine schwere, betäubend nach Schweiß duftende Pranke, sich unter die hundert Tüllfalten ihres Rocks. Sie wusste, der Moment würde kommen. Wo sein Finger daraufstieß; wo er Wärme und vielleicht sogar Feuchte suchte, sie aber verschlossen vorfinden würde. Sie sparte sich also das mädchenhafte Zusammenzucken, als sie, beinahe mehr am Druck auf ihre Hüfte spürte, wie seine Fingerkuppe sich an das hitzeabstrahlende Metall setzte. Seine Hand entkam dem Tüllgefängnis wie eine raschelnde Schlange dem Laub. »Was...?« hauchte er. »Tja. Rikon war wohl schneller als du.« bestätigte sie und zog ihren Rock vollends hoch, um den eisernen Keuschheitsgürtel zu entblößen. »Den hat er mir angelegt. Hat mich mit vorgehaltener Faust gezwungen ...