1. Jung, Devot Sucht ... (01)


    Datum: 16.11.2021, Kategorien: Schwule Autor: byAigis

    ... erreichen! Ich steckte ihn wieder ein und ging zur Arbeit, konnte mich den ganzen Tag aber nicht richtig konzentrieren. Jetzt verfolgten mich meine Phantasien schon am Arbeitsplatz. Das musste aufhören.
    
    Die darauffolgende Nacht war schrecklich: Alpträume von fies grinsenden Polizisten, die mich „warmer Bruder" nannten, in Handschellen abführten und in ihren VW-Bus zerrten. Meine Freundin, die, mit einem Erpresserbrief in der Hand, gebetsmühlenartig immer nur den einen Satz sagte: „Das hätte ich von dir nicht gedacht. Das hätte ich von dir nicht gedacht. Das hätte ich ...". Man muss sich seinen Ängsten stellen, ging es mir beim Frühstück am nächsten Tag durch den Kopf. Ich musste den Brief abschicken, sonst, so dachte ich, wird nie mehr Ruhe in mir einkehren. Vielleicht war dem Unhold die Bewerbung nicht gut genug, vielleicht war sie zu devot, vielleicht zu wenig devot. Vielleicht passte ihm mein Ausdruck nicht und er wollte so Sätze lesen wie „Ficken Sie mir die Seele aus dem Leib, Sie geiler Bock", oder „Ich will, dass Sie mir mit Ihrem Schwanz den Arsch aufreißen", was durchaus in meinem Verlangen lag, aber nicht unbedingt mein Stil war. Vielleicht stellte er sich auch etwas ganz anderes vor und antwortete überhaupt nicht. Das -- an diesem Gedanken klammerte ich mich als ich erneut vor dem Postamt stand -- wäre wohl das Beste gewesen. Er wollte mich nicht, ich wäre abserviert, ich hätte nichts dafür können -- hatte es ja schließlich versucht. Und die liebe Seele hätte ...
    ... endlich ihre Ruh.
    
    Als ich dem Postbeamten den Brief übergab, lief ich rot an wie eine Tomate, als würde der Postmann den Inhalt durch den Briefumschlag hindurch erfassen können. Jetzt war es für einen Rückzieher zu spät. Ich bezahlte das Porto, der Postbeamte klebte die Briefmarke drauf und warf das Kuvert achtlos in einen Postsack, der hinter ihm in einem Gestell geöffnet dastand. Es war vollbracht! Aus, Ende, Amen. Jetzt konnte ich nichts mehr beeinflussen.
    
    Schon am nächsten Tag ging ich nervös zum Briefkasten, in der Hoffnung, eine Antwort aus demselben herausfischen zu können. So ein Blödsinn! Die Post braucht Zeit für die Zustellung. Damals, vor über 40 Jahren, noch deutlich länger als heute. Auch am nächsten und übernächsten Tag: kein Brief. So ging das bestimmt 14 Tage lang. Immer wieder kramte ich Herrn Winters Brief aus meinem Portemonnaie, faltete ihn auf und strich ihn glatt. Dieses schöne, fast schon kalligraphische, Handschrift. Dieses teure Briefpapier. Diese ungehobelten Worte. Nichts passte zusammen und dennoch schlugen meine Gedanken Kapriolen, wann auch immer ich die Zeilen las, die ich mittlerweile schon auswendig konnte. Meine Aufregung beim Gang zum Briefkasten ließ täglich etwas mehr nach und ich dachte, das war's jetzt: keine Antwort, kein Mann, kein Schwanz, kein Knien, kein Sperma, kein alter, geiler Sack, kein roter Hintern durch Missfallen oder ungenügendes Befolgen von Anweisungen.
    
    Als ich dann schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, ...
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